Die Impfung ist bei Schwangeren aus vier Gründen sinnvoll, wie der Berufsverband der Frauenärzte und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte mitteilen. Erstens ist in der Schwangerschaft das Immunsystem herunterreguliert, sodass Immunreaktionen auf das Fremdeiweiß des Embryos unterdrückt werden. Dadurch verlaufen Grippe-Infektionen in der Schwangerschaft häufig schwerer als bei Nicht-Schwangeren; die Hospitalisierungsraten sind bis zu zehnmal höher als bei gleichaltrigen nicht-schwangeren Frauen, die mit Influenza infiziert sind. Die schweren Infektionen ziehen zudem ein erhöhtes Risiko für einen vorzeitigen Wehenbeginn, für Fehl- und Frühgeburten nach sich. Zum Dritten werden die mütterlichen Antikörper nach der Impfung auch auf den Embryo weitergegeben, der dadurch in den ersten extrauterinen Lebensmonaten vor Influenza-Infektionen weitgehend geschützt ist, solange das Immunsystem noch nicht ausreichend ausgereift ist.
Influenza ist in den ersten Lebenswochen und –monaten eine bedrohliche Infektion bis hin zur Influenza-induzierten Enzephalopathie. Sehr kleine Frühgeborene, die kurz nach der Geburt mit Influenza infiziert werden, haben ein erhöhtes Risiko für bleibende zerebrale Schäden und auch für Todesfälle. Und zuletzt erhöhen fieberhafte Infektionen und Bettlägerigkeit das Risiko für Thrombosen und Lungenembolien. Da das VTE-Risiko in der Schwangerschaft ohnehin erhöht ist, potenzieren sich diese Risiken, wenn eine Schwangere an Influenza erkrankt. Eine Impfung hilft somit nicht nur, die Infektion selbst zu verhindern, sondern auch die mit ihr verbundenen Risiken für thrombembolische Ereignisse.
Hohe Erfolgsrate der Immunisierung in der Schwangerschaft
Die Impfung kann zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft durchgeführt werden. Sie schadet weder der Schwangeren noch dem Embryo, wie zahlreiche Untersuchungen gezeigt haben. Vor allem Frauen mit zusätzlichen Risiken wie Herz- oder Lungenerkrankungen sollten auch im ersten Trimester geimpft werden. Ansonsten wird eine Impfung, sofern sie nicht bereits vor der Schwangerschaft durchgeführt wurde, erst ab dem zweiten Trimester empfohlen, um zu verhindern, dass die Immunisierung in einen Zusammenhang mit einem der häufigen Frühaborte gebracht werden kann.
Die Immunisierung in der Schwangerschaft hat eine Erfolgsrate von etwa 50 %, was auf das herunterregulierte Immunsystem zurückgeführt wird. Besonders gering sind die Erfolge bei Frauen mit reduzierter Immunkompetenz, meist in Folge einer zwingend notwendigen Arzneimitteltherapie. Trotzdem sollte gerade bei diesen Patientinnen nicht auf den Versuch verzichtet werden, einen Schutz gegen die Influenza aufzubauen, weil besonders in dieser Gruppe ansonsten schwere Verläufe zu befürchten sind. Wenn eine Schwangere die Influenza-Impfung ablehnt, so könnte es sich aus forensischen Gründen empfehlen, diese Entscheidung zu dokumentieren.
Quelle: Berufsverband der Frauenärzte, 23.08.2017
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2. Remschmidt C, Harder T, Wichmann O, Garbe E, Ledig T, Terhardt M, Wicker S, Zepp F, Mertens T. Hintergrundpapier der STIKO: Evaluation der bestehenden Influenzaimpfempfehlung für Indikationsgruppen und für Senioren (Standardimpfung ab 60 Jahren). Bundesgesundheitsbl 2016 • 59:1606–1622. DOI: 10.1007/s00103-016-2467-
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