Hanne Fleischmann war vom 12. Mai bis zum 23. Mai 2015 als MTA im Auftrag des Missionsärztlichen Instituts in Liberia. Dies ist ein Bericht ihrer Erfahrungen während und nach der Ebola-Epidemie.
In der Zeit von Ende Dezember 2013 bis Anfang Januar 2016 ereignete sich in Westafrika eine der schlimmsten Seuchen der Gegenwart. Es starben fünfmal mehr Menschen als in allen Ebola-Epidemien in den Jahren zuvor. Ebola ist seit 1976 bekannt, und immer wieder gab es begrenzte Ausbrüche in Zentral- und Westafrika. Der Name der Erkrankung stammt von dem Fluss Ebola im Kongo, entlang dessen der erste nachgewiesene Ausbruch 1976 verzeichnet wurde. Damals waren 55 Dörfer betroffen und 280 Menschen starben.
Im ersten Quartal des vergangenen Jahres trat ein Mitarbeiter des katholischen Krankenhauses St. Josef Catholic Hospital in Liberia an das Missionsärztliche Institut (MI) heran. Er bat uns, das Krankenhaus bei der Wiederinbetriebnahme zu unterstützen, da es durch die Ebola- Krise in Monrovia außer Betrieb gesetzt worden war. Der Chefarzt, der Cheflaborant und weitere Angestellte waren an Ebola gestorben.
Die Letalitätsrate unterscheidet sich je nach Virusspezies und lag beim Ausbruch in Westafrika bei circa 60 Prozent. Je nach Virustyp wird von Todesraten zwischen 30 und 90 Prozent berichtet (Robert Koch-Institut). Das Krankenhaus wurde geschlossen. Die Mitarbeiter waren traumatisiert und weigerten sich, Patienten zu behandeln. „Ärzte ohne Grenzen“ hatte in kürzester Zeit effektive Behandlungszentren aufgebaut und die möglicherweise mit Ebola infizierten Patienten wurden dort behandelt. Für Patienten und Patientinnen mit anderen Erkrankungen gab es zunächst keine Versorgung in Krankenhäusern mehr.
Wir stimmten zu, das Krankenhaus in der Aufbauphase zu unterstützen, und ich begann, meinen Besuch in Liberia vom 12. bis zum 23. Mai zu planen. Als die Epidemie langsam abgeklungen war, wurde das St. Josefs Hospital in Monrovia Abteilung für Abteilung wieder geöffnet. Die Departments wurden gründlich mit Chlorlauge desinfiziert – teilweise mehrmals. Leider wurden dabei die sensiblen Geräte nicht ausgespart.
Man stelle sich vor, ein Hämatologie-Analyser, biochemische Photometer oder auch Brutschränke wurden mit Chlorlauge komplett abgesprüht. Das Desinfektionsmittel drang in alle Öffnungen ein und blieb über Wochen auf und in den Geräten. Als ich am 12. Mai 2015 in Monrovia eintraf, ließen sich dadurch viele Plastikbestandteile nicht mehr bewegen, sondern nur noch herausbrechen.
Vor meiner Reise stellten die Mitarbeiter eine Liste mit allen Geräten zusammen, die erneuert werden mussten. Wir glichen diesen Bedarf mit dem vorhandenen Budget ab. Nach einer Internetrecherche nahm ich Kontakt mit Herstellern und deren Vertrieb im Land oder in angrenzenden Staaten auf. Die Geräte wurden schließlich nach Rücksprache mit dem Laborverantwortlichen und dem neuen Direktor bestellt.
Wenn ich an meine ersten Besuche in Afrika denke, sehe ich im Vergleich zu heute große Unterschiede. Damals musste ich oft auf gut Glück anreisen und an technischem Gerät einpacken, was nach mündlicher Information oder Erfahrung erneuert werden sollte. Heute kann ich vieles mittels Vorabsprache regeln. Auch in dieser Phase nach der Wiedereröffnung des St. Josef Catholic Hospitals gelangen uns gute Absprachen, und viele Fragen konnten im Vorfeld per E-Mail geklärt werden, was mir die Arbeit sehr erleichterte.
Meine Anreise sollte erfolgen, sobald alle Materialien angekommen waren. Zwischenzeitlich war mein Kollege Dr. Ochel im St. Josefs Hospital tätig, um die Koordination anderer Aufgaben voranzutreiben. Indem er vor Ort die angelieferten Kisten fotografierte, hielt er mich über die Zustellungen auf dem Laufenden. Als endlich alle Geräte eingetroffen waren, konnte ich mein Visum beantragen, einen Flug buchen und die Materialien bestellen, die noch in den Koffer sollten (zum Beispiel die gekühlten Blutgruppenseren).
Überraschung bei der Ankunft in Monrovia
Dann war es so weit: Ich flog nach Monrovia, Liberia. Meine erste Konfrontation mit dem Thema Ebola erfolgte gleich bei der Körpertemperaturmessung am Flughafen. Ich wurde aussortiert – warum? Noch einmal Temperatur messen. Keiner sagte mir wieso. Ich erfuhr schließlich, dass meine Körpertemperatur bei 37° C lag. Obwohl sie auch bei der zweiten Messung nicht niedriger war, durfte ich passieren. Den Sinn in dieser Vorgehensweise konnte ich nicht verstehen – habe dann aber besser auch nicht nachgefragt.
Die Passage am Zoll ist immer spannend – wird es Schwierigkeiten geben? In diesem Fall machten die Behörden zum Glück keine Probleme. Meine Koffer wollte niemand sehen. Diese waren mit Materialien so gefüllt, dass ich kaum wusste, wie ich sie schließen sollte. Der kleinste Teil des Inhalts waren dabei noch meine persönlichen Utensilien und Kleider.
Pater Peter war am Flughafen und holte mich ab. Ich war erleichtert. Oft ist es schwierig, vor Ort einen Taxifahrer zu finden, der einen fairen Preis verlangt. Beim Krankenhaus angekommen, wurde ich mit den intensiven Hygieneregeln konfrontiert. Wir mussten am Eingangstor des Krankenhauses das Auto verlassen, Fieber messen und unsere Hände desinfizieren. Danach durften wir wieder ins Auto steigen. Vor den Wohnhäusern und den verschiedenen Krankenhausabteilungen stand jeweils ein Gefäß mit 0,5-prozentiger Chlorlauge zum Händewaschen. Ich habe noch nie so oft und intensiv meine Hände gewaschen, obwohl es für unsere Krankenhaushygiene genauso wichtig sein sollte. ###more###
Ich wurde im Schwesternhaus untergebracht – zunächst völlig allein. Die Schwestern hatten das Haus verlassen, nachdem eine von ihnen an Ebola verstorben war. Drei Tage später sollte ein Ingenieur eintreffen, der die Sterilisationseinheit des Operationssaals reparieren sollte. Ich hatte ein schönes Zimmer, ein ganzes Haus für mich und im Parterre waren die Labormaterialien, die ich jetzt kontrollieren konnte. So wurden die Abende nicht langweilig. Alle Geräte waren vorhanden, bis auf den Hämatologie-Analyser, mit dessen Ankunft ich aber in den nächsten Tagen rechnete.
Beschädigte Geräte durch Chlorbehandlung
Ich machte mich an die Arbeit im Labor. Alle alten Gerätschaften wurden identifiziert, getestet und gegebenenfalls entsorgt. Viele waren nicht mehr zu reparieren. Entweder gab es keinen adäquaten Techniker in der Stadt oder die Geräte waren durch die Chlorbehandlung so zerstört, dass sich eine Reparatur nicht mehr lohnte. Ersatzteile zu erhalten, ist nicht immer leicht. Bei einem Photometer beispielsweise war die Pumpe defekt. Bei meiner Abreise nahm ich sie mit nach Deutschland – doch als die Herstellerfirma in Spanien hörte, wo sich der Standort des Geräts befand, hörte ich nie wieder von ihr. Solche Vorfälle sind ärgerlich, denn es hätte nur einer neuen Pumpe bedurft, die ein Techniker vor Ort problemlos hätte austauschen können. Aber die Stigmatisierung und die Angst vor Ebola schien so groß zu sein, dass selbst die Kommunikation mit möglichen Lieferanten darunter litt.
In der Zeit, in der Ebola in der Hauptstadt Monrovia wütete, wurden im Labor selten zusätzliche Untersuchungen zu anderen Erkrankungen vorgenommen. Wichtig war die Diagnose per Real-Time-PCR, einige ausländische Labore boten sogar Multiplex-PCRs für mehrere fieberhafte Erkrankungen an. Allerdings reduzierte man nach der Diagnose das Labor-Monitoring, da jede Blutabnahme und deren Untersuchung eine hohe potenzielle Gefahr für das Personal bedeutete.
Auch die Therapiemöglichkeiten waren unter diesen Bedingungen sehr stark eingeschränkt. Infusionen waren noch möglich. Die in Europa vorhandenen Intensivstationen für hochkontagiöse Erkrankungen gibt es in Westafrika nicht. Je früher der Patient ins Therapiezentrum kommt und mit Infusionen unterstützt werden kann, desto besser sind seine Heilungschancen. Im Falle von Ebola wurden verschiedene Therapiemöglichkeiten versucht, jedoch ohne nachweislichen Erfolg.
Die Menschen, die eventuell an Ebola erkrankt sein konnten, wollten nicht unbedingt in ein Behandlungszentrum. Es war sehr oft eine endgültige Entscheidung für Mensch und Material. Alles, was der Patient in das Behandlungszentrum brachte, wurde nach seiner Entlassung verbrannt, Ausnahme war das mobile Telefon, hier wurde der Akku entnommen und beides, Telefon und Akku, wurden mit 0,5-prozentiger Chlorlauge desinfiziert. Erstaunlicherweise überstand das Handy diese Prozedur in den meisten Fällen.
Überlebte der Patient die Erkrankung, bekam er vom Behandlungszentrum neue Kleidung und konnte entlassen werden. Starb der Patient, dann wurde er in einen Leichensack verbracht und in der Nähe des Flughafens unter seinem Namen begraben. Eine Totenzeremonie war nicht möglich, da diese generell eine zusätzliche Infektionsgefahr birgt. Das ist besonders für die Hinterbliebenen schwierig: Die Familie verabschiedet sich von einem Toten normalerweise mit Körperkontakt. Aber gerade die Verstorbenen sind hochkontagiös (hohe Viruslast) und eine Berührung mit ihnen birgt ein großes Infektionsrisiko. Für die Angehörigen war es umso wichtiger, wenigstens zu wissen, wo die Familienmitglieder begraben wurden.
Schutzkleidung war absolute Pflicht
Ich war begeistert vom Bau des Labors. Es war gut in das Krankenhaus integriert und an den Ablauf der Laborroutine angepasst. Meine vorrangige Aufgabe war es, zuerst alle defekten Geräte zu entsorgen, die Flächen zu säubern und von Chlorrückständen zu befreien. Jeder, der mit im Labor arbeitete, musste laut Anordnung des Direktors in „Light PPE“ eingekleidet werden. Die Abkürzung PPE kommt aus dem Englischen und heißt „Personal Protective Equipment“ – persönliche Schutzkleidung. Die sogenannte Light-Form unterschied sich im St. Josef Krankenhaus von „full PPE“, das zwar alle Stellen am Körper bedeckt, aber nicht fest verklebt wurde. Inzwischen galt Liberia als ebolafrei – aber wie verlässlich dieser Status war, hat man erst gesehen, als nach Wochen wieder neue Fälle auftraten.
Es war anstrengend, in der Schutzkleidung zu arbeiten. Unser Vorteil war immerhin, dass wir eine Klimaanlage hatten. Wir mussten uns immer wieder bewusst machen, dass die Gefahr noch nicht gebannt war und die Anweisungen des Krankenhausmanagements befolgt werden mussten. Nun galt es, die Labormitarbeiter im Umgang mit den verschiedenen Geräten wie Hämatokrit-Zentrifuge, Trockenchemiegerät (Reflotron), Zentrifuge, Inkubator und Destilliergerät einzuweisen.
Das Aufstellen der Geräte, das in Deutschland in der Regel von Technikern übernommen wird, wurde hier zu meiner Aufgabe. Der Techniker ist normalerweise auch für die erste Einweisung verantwortlich. Ich war froh, wenn ich die Geräte schon kannte, dann ging die Aufstellung einfach und schnell. Trotzdem traten durch den langen Transportweg im Nachhinein Probleme auf. Oft waren es kleine Handgriffe, die das Gerät nicht zum Laufen brachten. Inzwischen habe ich gelernt, erst dann mit der Schulung zu beginnen, wenn ich selbst alle Schritte gut beherrsche. Jede Abweichung verwirrt die Mitarbeiter.
Noch immer fehlte als einziges Gerät der Hämatologie-Analyser. In den letzten Tagen war ich mit dem Aufstellen und Installieren der anderen Geräte beschäftigt. Erst durch Zufall, als mich der zuständige Pater bat, in seinem Bereich des Lagers überflüssige Materialien auszusortieren, stand ich plötzlich vor dem Gerät, auf das wir alle die ganze Zeit gewartet hatten. Die Erleichterung war groß: Jetzt konnte die Arbeit abgeschlossen werden. Schon am nächsten Tag konnte ich mit der Installation beginnen. Auch hier gab es einige Hürden, die ich überwinden musste. Doch mit Bildern und Text aus der Anleitung konnte ich das Gerät zum Arbeiten bringen.
Nun wurde an jedem Tag, wenn die Routinearbeit beendet war, die Handhabung der Geräte geübt, Qualitätskontrollen eingegeben und Fehlermeldungen bearbeitet. Die Mitarbeiter waren auch vorher schon an die Arbeit mit Geräten gewöhnt und lernten schnell. Schon nach einigen Tagen konnten die Angestellten die Geräte einstellen und bedienen. Nun konnte ich beruhigt meine Abreise planen.
Wie man sieht, ist meine Hauptaufgabe nicht die Arbeit im Labor. Auch meine Lehrtätigkeit rückt in den Hintergrund. In den meisten Fällen muss ich planen, abgleichen, Angebote vergleichen, Distributoren suchen, auspacken, installieren und einweisen. Das waren keine Bestandteile meiner Ausbildung, das habe ich mir im Laufe der Zeit selbst erarbeitet. Die Zeiten ändern sich auch in den Ländern mit begrenzten Ressourcen. Was jetzt immer häufiger gefragt ist, ist Qualitätsmanagement – nicht in der Form wie bei uns im Rahmen der Akkreditierung, sondern Schritt für Schritt, um den Patienten zu zeigen, dass sie mit ihrem Geld auch Qualität bezahlen.
Ich werde oft gefragt, was man tun muss, um eine Arbeitsstelle wie die meine zu bekommen. Was man vor allem braucht, sind gute Laborkenntnisse. Aber man muss auch kreativ sein und darf keine Angst vor schwierigen Aufgaben haben. Man muss sich ständig weiterbilden. Und man muss sich in jeder Situation zu helfen wissen.
Hanne Fleischmann
Wer im Ausland medizinisch arbeiten möchte, findet sich einer Bandbreite an Krankheitsbildern ausgesetzt, die im deutschen Arbeitsalltag kaum noch präsent sind. Malaria wird zur täglichen Aufgabe, parasitäre Erkrankungen sind häufig zu vermuten und die kindliche Fehl- und Mangelernährung mit allen einhergehenden Infektionen ist in vielen Gegenden weit verbreitet.
Die „Akademie für Globale Gesundheit und Entwicklung“ (AGGE) bietet daher Vorbereitungskurse in Tropenmedizin und Public Health für medizinische Fachkräfte an sowie auf Anfrage auch Counselings zur Arbeit in Westafrika im Kontext von Ebola. Alle Kurstermine sowie allgemeine Informationen zu den Ausreise- und Einsatzmöglichkeiten finden sich online auf der Homepage der Akademie: www.agge-akademie.de
Die AGGE ist ein Zusammenschluss der Fortbildungsangebote zu Tropenmedizin und Public Health des Deutschen Instituts für ärztliche Mission e.V. (Difäm) in Tübingen, des Instituts für Public Health der Universität Heidelberg und des Missionsärztlichen Instituts Würzburg.
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