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„Stress ist ein Denkfehler“

Bundesweite Umfrage
Ilona Bürgel
Denkfehler
Männer und Frauen werden durch die gleichen Themen gestresst und auch der Ausgleich ist geschlechtsunabhängig ähnlich. © Anka Albrecht; CC BY 2.0; https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/
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Das ist das Fazit aus der größten bundesweiten gemeinsamen Umfrage mit focus-online.de zum Thema „Die Wahrheit über Stress“: Wir stressen uns bei der Arbeit nicht durch Tempo, Mailterror oder fehlende Motivation.

Nein – wir machen uns zu viele Gedanken und sind unzufrieden. Das macht krank und unproduktiv. Es liegen Daten von 1.083 Frauen und 754 Männern vor.

Da das Arbeitsleben eher noch komplexer und die zur Verfügung stehende Zeit zur Lösung von Aufgaben kürzer werden, reicht auch in erfolgreichen Strukturen eine Anstrengungskultur bereits nicht mehr aus. Die Lösung ist der optimale Einsatz vorhandener psychischer Ressourcen und Ermutigung zur Selbstfürsorge. Die Logik ist einfach und zwingend: Wer sich wohl fühlt, leistet gern und gut, bleibt gesund und im Unternehmen.

Stress folgt individuellem Erleben

Etwa seit den 1970er Jahren gibt es immer mehr Modelle, die versuchen, das Phänomen Stress zu erklären. Besonders wichtig ist mir zu betonen, dass zwei Sorten von Stress definiert wurden: positiver (Eustress) und negativer (Disstress). Im täglichen Sprachgebrauch meinen wir immer den negativen. Das sollte uns schon zu denken geben. Denn wir alle haben auch Lust auf Leistung. Wie oft haben Sie schon etwas über die Entstehung und die Wirkung von positivem Stress gelesen? Wie oft wird dies in einer Umfrage erfragt? Hier wird bereits unsere Wahrnehmung gelenkt.

Der gemeinsame Konsens aller Erklärungsversuche zu negativem Stress besteht in dem Ungleichgewicht von Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten. Letztere bestehen aus objektiven Faktoren, wie zum Beispiel die zur Verfügung stehende Zeit, Arbeitsmittel oder Ausbildung und subjektiven, wie Zeiteinteilung, Arbeitsorganisation oder Belastbarkeit. Eine große Rolle spielt dabei vor allem die Bewertung einer Situation, zum Beispiel als Überforderung, Einschränkung oder als nicht handhabbar. Einen Vortrag vor ausgewählten Kunden zu halten oder eine lange Strecke Auto zu fahren sind Situationen im Alltag, die von einer Person als spannend und angenehm, von einer anderen als belastend, ja sogar bedrohlich erlebt werden.

Vor dem Stress sind alle gleich

Egal, ob Sie ein Mann sind und angeblich vom Mars kommen und nicht zuhören können oder eine Frau von der Venus, die schlecht einparken kann: zu meiner großen Überraschung stressen Männer und Frauen über alle Fragen die gleichen Themen und auch der Ausgleich ist geschlechtsunabhängig ähnlich.

Von wegen Erreichbarkeitsstress

Wie oft lesen wir, dass es belastend sei, immerzu erreichbar zu sein. Offenbar gibt es aber wesentlich Belastenderes. Nur 5 Prozent Frauen und 6 Prozent Männer fühlen sich dadurch gestresst. Bei der Frage nach stressigen neuen Lebensumständen ist es ganz klar ein „zu viel“, was uns unter die Haut geht. Und zwar die Menge des zu Erledigenden (Frauen 25 Prozent, Männer 21 Prozent) sowie die Parallelität der vielen Aufgaben (24 Prozent Frauen, 27 Prozent Männer). Es folgt der Leistungsgedanke, die Latte, die immer wieder nach oben gelegt wird (13 Prozent Frauen, 16 Prozent Männer).

Wir machen es uns auch bei der Arbeit selbst schwer

Es sind nicht die ständigen E-Mails oder Anrufe, die nerven, auch nicht das Gefühl, keine Wahl zu haben. Sondern, der Spitzenreiter auf die Frage „Was stresst bei der Arbeit am meisten“ ist – dass wir uns zu viele Gedanken machen! Bei Männern wie Frauen bekam er 16 Prozent, gleich gefolgt von dem Gefühl, zu wenig Wertschätzung zu bekommen (14 Prozent Frauen, 13 Prozent Männer) und zu hohe eigene Ansprüche (Frauen 13 Prozent, Männer 10 Prozent). Fällt Ihnen etwas auf? Dies sind alles Themen, die in unserem Kopf ablaufen.

Höher, schneller, weiter

Dass diese Haltung Stress macht, zeigt uns Frage 3 „Was stresst Sie generell am meisten?“. Spitzenreiter wieder für beide Geschlechter ist das Gefühl, nie fertig zu werden (Frauen 33 Prozent, Männer 24 Prozent). Können wir ja gar nicht, weil wir unzufrieden mit uns sind, wie Platz zwei zeigt (Frauen 13 Prozent, Männer 16 Prozent), und diese Unzufriedenheit ist der Katalysator für mehr, schneller, höher, weiter, besser. Dass die eigenen Bedürfnisse zu kurz kommen, ist folgerichtig (9 Prozent Frauen, 6 Prozent Männer) und dass dies auf die Stimmung schlägt, auch (Frauen 6 Prozent, Männer 8 Prozent).

Ein Fazit lautet: Die hohen eigenen Ansprüche und der eigene Wunsch, wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, führen dazu, dass wir uns viel zu viel aufhalsen, was wir dann aufgrund der immer weniger beherrschbaren Menge parallel erledigen. Grübeln scheint zum Volkssport zu werden und wir drehen uns im Kreis.

Wo stehen Sie?

Mit diesen 5 Fragen finden Sie ganz schnell heraus, ob Sie in der Denkstressfalle sitzen:

1. Denken Sie bei der Arbeit an private Probleme und zu Hause an die Arbeit?

2. Wären Sie gerne optimistisch, scheitern aber an den schlechten Erfahrungen?

3. Schlafen Sie abends über den Ärgernissen des Tages schlecht ein?

4. Versuchen Sie immer wieder, Ihre negativen Gedanken und Erlebnisse zu unterdrücken?

5. Akzeptieren Sie „um des lieben Friedens willen“ Dinge und Menschen, die Ihnen nicht gut tun?

Stress ist eine Frage der Entscheidungen

Wir wissen doch, dass es nicht die scheinbar so attraktiven Dinge des täglichen Lebens wie Wohnung oder Reisen, erst recht nicht die heiß umkämpften Statussymbole sind, die nachhaltig glücklich machen. Einig sind sich viele Glücksforscher inzwischen, dass soziale Kontakte, Gutes für andere zu tun oder gemeinsame Erlebnisse deutlich vor den Dingen in Sachen Glück stehen.

5 Schritte raus aus dem Stress

Zuerst das Wohlbefinden, dann der Erfolg. Zuständig sind wir selbst. Nicht im Sinne des nächsten Hamsterrades, sondern im Sinne einer neuen Denkkultur. Das heißt:

1. Denken und handeln Sie gesundheitsorientiert

Menschen muss es gut gehen, damit sie leisten können, was sie sollen und ja auch wollen. Dann sind sie produktiver, kreativer und gesünder. Achten Sie auf Ihre Gesundheit, solange Sie sie haben.

2. Denken und handeln Sie entwicklungsorientiert

Wer ständig weiter lernt, muss sich keine Sorgen machen, mitzukommen. Alle Studien zum Glück zeigen, dass die immateriellen Glücksbringer wie Lernen und Wachstum die materiellen deutlich abhängen. Wer glücklich ist, hat keinen Stress.

3. Denken und handeln Sie stärkenorientiert

Wir brauchen einen Paradigmenwechsel von der Überforderung hin zu den Stärken wie Freundlichkeit, Neugier oder Mut, die jeder Mensch zeit- und ortsunabhängig zur Verfügung hat und die sich nicht abnutzen.

4. Denken und handeln Sie optimistisch

Optimismus ist eine bekannte und vielen vertraute Ressource. Optimismus ist die Überzeugung, in der Zukunft positive Dinge zu erleben und – dies ist besonders wichtig – selbst dafür etwas tun zu können. Das führt zu einem positiven Kreislauf neuer optimistischer Erwartungen.

5. Denken und handeln sie selbstachtsam

Lebensfroh wird künftig, wer sich entscheiden kann. Und zwar weil er weiß, was ihm persönlich gut tut.

Die Autorin:

Dr. Ilona Bürgel ist Diplom-Psychologin und Expertin für den Wirtschaftsfaktor Wohlbefi nden. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, aufzuzeigen, wie der Spagat zwischen Lust auf Leistung und Erhalt der eigenen Ressourcen in der Welt von heute gelingen kann. Nach 15 Jahren in Führungspositionen der freien Wirtschaft ist sie heute erfolgreiche Referentin, Autorin und Kolumnistin. Sie wurde vom Ministerium für Wirtschaft und Energie als Vorbildunternehmerin ausgezeichnet. Dr. Ilona Bürgel lebt und arbeitet in Dresden und Aarhus (DK). www.ilonabuergel.de

Entnommen aus MTA Dialog 11/2015

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