Sepsis und septischer Schock
Neue Erkenntnisse beschreiben die Sepsis als immunologische Erkrankung mit fehlgeleiteter und außer Kontrolle geratener Immunantwort des Patienten. Die Sepsis verläuft in verschiedenen Phasen. Nach der ersten Phase (wenige Stunden) einer überschießenden Inflammation folgt oft eine „immunologische“ Erschöpfung (Tage, Wochen) mit einer Sepsis-bedingten Immunsuppression und erhöhter Anfälligkeit für weitere Infektionen. Die frühere Definition als „Blutvergiftung“ ist damit als überholt anzusehen, und die positive Blutkultur hat als Kriterium für die Diagnose einer Sepsis an Bedeutung verloren. Vielmehr muss jede Kombination von klinischen Infektionszeichen wie Fieber oder Schüttelfrost mit Hinweisen auf eine Organdysfunktion zur Verdachtsdiagnose einer Sepsis führen. Zeichen für ein sich anbahnendes Organversagen sind beispielsweise ansteigende Nierenfunktionswerte, ein verschlechterter Gasaustausch (als Zeichen des beginnenden Lungenversagens) oder Hautblutungen als Zeichen einer Gerinnungsstörung. Häufig sind es aber auch neue Verwirrtheitszustände oder Bewusstseinsstörungen, die im Zusammenhang mit einer Infektion auf eine Sepsis hinweisen. Gerade bei hochbetagten Patienten fehlt häufig das typische Fieber, während eine unerklärte Somnolenz oder Desorientiertheit auf eine Sepsis hindeuten können.
Weltweit ermittelte Zahlen zur Häufigkeit der Sepsis wurden zuletzt im Jahr 2017 veröffentlicht. Damals stammten die Daten aus 7 hoch industrialisierten Ländern. Die Studie ergab eine Zahl von 19,4 Millionen Sepsisfällen pro Jahr mit 5,3 Millionen Todesfällen [1]. Ein Kritikpunkt an dieser Erhebung war jedoch, dass die Zahlen keine Rückschlüsse darauf erlauben, wie häufig eine Sepsis in Entwicklungs- und Schwellenländern auftritt. Eine internationale Arbeitsgruppe wählte daher jetzt einen anderen Ansatz. Sie zog die Todesursachenstatistik aus 195 über den ganzen Globus verteilten Ländern als Basis ihrer Berechnungen heran. Im Ergebnis zeigte sich eine um den Faktor 2,5 höhere weltweite Sepsisinzidenz als bisher angenommen [2].
Entnommen aus MTA Dialog 3/2020
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