Robert Koch (1843–1910)

Pionier der modernen Bakteriologie und Hygiene, Nobelpreis für Medizin 1905
Christof Goddemeier
Robert Koch (1843–1910
Mausoleum, in dem Robert Koch 1910 beigesetzt wurde © Robert Koch-Institut
Newsletter­anmeldung

Bleiben Sie auf dem Laufenden. Der MT-Dialog-Newsletter informiert Sie jede Woche kostenfrei über die wichtigsten Branchen-News, aktuelle Themen und die neusten Stellenangebote.


* Pflichtfeld

Sein Name ist in Zeiten der Coronakrise in aller Munde. Anfangs informierte das Berliner Institut, das seit 1912 Robert Koch-Institut (RKI) heißt, täglich über die wichtigen Zahlen der Pandemie, später dann zweimal wöchentlich. Von 1891 bis 1904 war Koch der erste Direktor dieses neu gegründeten Königlich Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten.

Die Geschichte der modernen Bakteriologie ist untrennbar mit seinem Namen verbunden. Im 19. Jahrhundert starben weltweit die meisten Menschen an Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Cholera, Diphtherie und Wundinfektionen. Allein in Deutschland waren es jährlich Hunderttausende. Koch entdeckte und beschrieb, dass diese Erkrankungen durch Bakterien verursacht werden, und entwickelte zahlreiche bakteriologische Verfahren, etwa feste Nährböden zum Anzüchten von Bakterien, Mikrofotografie und Färbetechniken. Dabei weist sein Leben nicht nur Erfolge, sondern auch Brüche, Misserfolge und Fehler auf.

In seinem Buch „Masse und Macht“ (1960) zählt Elias Canetti die Bakterien zu den „unsichtbaren Massen“ und beschreibt sie als in ihrer Gestalt sehr veränderte und viel kleiner gewordene Teufel: „(. . .) in noch viel größerer Menge sind sie im 19. Jahrhundert aufgetaucht, als Bazillen. Statt gegen die Seele richtet sich ihr Angriff gegen den Leib des Menschen. Diesem aber können sie gefährlich werden. Die wenigsten Menschen haben in ein Mikroskop geblickt und sie da wirklich zu Gesicht bekommen. Aber alle, die von ihnen gehört haben, sind sich ihrer Gegenwart immer bewusst und geben sich Mühe, mit ihnen nicht in Berührung zu kommen: bei ihrer Unsichtbarkeit ein etwas vages Unternehmen. Ihre Gefährlichkeit und die Konzentration ganz ungeheurer Zahlen von ihnen auf sehr kleinem Raum haben sie ohne Zweifel von den Teufeln übernommen.“

1843 wurde Robert Koch als drittes von 13 Kindern in der Bergwerkstadt Clausthal im Harz geboren. Sein Vater war leitender Beamter im Oberharzer Bergbau. Der junge Robert sammelte Pflanzen, zeigte darüber hinaus aber keine besonderen Talente, die auf seine spätere Karriere hinwiesen. Als junger Mann träumte er von einer Laufbahn als reisender Naturforscher nach Art Alexander von Humboldts und erwog, nach Amerika auszuwandern. Sechs seiner acht Brüder setzten solche Pläne in die Tat um. Im nahen Göttingen studierte Koch zunächst Botanik, Physik und Mathematik und wechselte dann zur Medizin. Seine Dissertation beschäftigte sich mit der Entstehung der Bernsteinsäure im menschlichen Organismus, eine Arbeit, für die der Doktorand im Selbstversuch mehrere Kilogramm Butter aß. Koch entschied sich gegen eine akademische Laufbahn, heiratete 1867 seine Jugendfreundin Emmy Fraatz und wurde nach mehreren Stationen Kreisarzt in Wollstein (heute Wolsztyn, Polen).

In seiner Antrittsrede in der Akademie der Wissenschaften sagte Koch 1909 zum Beginn seiner Laufbahn: „(. . .) dass ich auf der Universität keine unmittelbare Anregung für meine spätere wissenschaftliche Richtung empfangen habe, einfach aus dem Grunde, weil es damals noch keine Bakteriologie gab.“ Tatsächlich gab es Mitte der 1870er-Jahre wenig, auf das junge Forscher aufbauen konnten. Dabei datiert die Vorstellung, dass „Kontagien“ Krankheiten übertragen können, bereits auf den Beginn des 16. Jahrhunderts. Hier nahm der italienische Arzt Girolamo Fracastoro an, dass Krankheiten wie Syphilis, Pest und Lepra durch ansteckende, allerdings anorganische, Keime verursacht werden, und unterschied sie von solchen, die durch „Miasmen“, also Dünste übertragen werden.

Doch noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es keine konsistente Theorie. Koch erwähnte 1909 lediglich den Botaniker Ferdinand Julius Cohn, der als einziger „Bakterien systematisch zu ordnen versuchte“. Zugleich begann sich aber mit der „physiologischen Medizin“ ein neuer Krankheitsbegriff zu etablieren. Demnach folgten Krankheiten und das Leben im gesunden Organismus den gleichen Naturgesetzen, doch Krankheitsursachen spielten zunächst keine große Rolle. Mit seiner theoretischen Schrift „Von den Miasmen und Kontagien und von den miasmatisch-kontagiösen Krankheiten“ (1840) lenkte der Anatom Jacob Henle (1809–1885) die Aufmerksamkeit auf die Infektionskrankheiten und ihre Verursachung durch lebende Erreger. Dabei betonte er bereits die Notwendigkeit, eine kausale Beziehung zwischen Erreger und Krankheit herzustellen. Aus heutiger Sicht markiert seine Arbeit den Beginn der Erforschung bakterieller Infektionen im 19. Jahrhundert (Gradmann). Zahlreiche Forscher widmeten sich nun den lebenden Krankheitserregern. Der Botaniker und Mikrobiologe Ernst Hallier (1831–1904) etwa beschäftigte sich mit dem Polymorphismus und entwickelte ein System des mikrobiologischen Formenwandels.

Den Milzbranderreger hat Koch nicht entdeckt. Bereits Aloys Pollender und Casimir Davaine hatten einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung, die primär bei Tieren vorkommt, und krankheitserregenden Bakterien wahrscheinlich gemacht. In seiner ersten Schrift „Die Ätiologie der Milzbrand-Krankheit“ (1876) knüpfte Koch an die Arbeiten der beiden an und beschrieb detailliert, wie die Milzbranderreger (Bacillus anthracis) sich zu Sporen und die Sporen sich wieder in Bazillen verwandeln, sowie die für die Sporenbildung günstigen Bedingungen. Damit konnte er die hohe Widerstandsfähigkeit der Bakterien und den Umstand erklären, dass Vieh sich auf bestimmten Weiden immer wieder infizierte: Die Bauern hatten tote Tiere schlicht nicht tief genug vergraben.

Im gleichen Jahr traf Koch in Cohns Labor in Breslau zahlreiche Fachkollegen und knüpfte neue Kontakte. 1878 erschienen seine „Untersuchungen über die Ätiologie der Wundinfektionskrankheiten“. Als „wichtigstes Ergebnis meiner Arbeit“ formulierte er hier die „Verschiedenartigkeit der pathogenen Bakterien und ihre Unabänderlichkeit“: „Einer jeden Krankheit entspricht (. . .) eine besondere Bakterienform und diese bleibt, so vielfach auch die Krankheit von einem Tier auf das andere übertragen wird, immer dieselbe.“

1880 wurde Koch an das neu gegründete Kaiserliche Gesundheitsamt in Berlin berufen. Hier leitete er zum ersten Mal eine Arbeitsgruppe und widmete sich der Erforschung der Tuberkulose. Von allen Infektionskrankheiten war sie epidemiologisch am bedeutsamsten – etwa jeder Siebte starb damals im Deutschen Reich am „Weißen Tod“. Kochs Arbeit zur „Ätiologie der Tuberkulose“ (1882) war deshalb eine wissenschaftliche Sensation. Der Weg dahin war steinig, zahlreiche Probleme mussten überwunden werden. So waren die Tuberkelbazillen deutlich kleiner als andere bekannte Krankheitserreger – ohne ein spezielles Färbeverfahren konnte man sie nicht sehen. Für ihre Kultivierung waren mehr als 30 Grad erforderlich. Bei dieser Temperatur verflüssigten sich jedoch die Nährböden auf Gelatinebasis. Zudem wuchsen die Bakterien sehr langsam, was das Risiko einer Verunreinigung der Kulturen mit sich brachte.

 Mit Nährböden aus geronnenem Blutserum, sorgfältiger Hygiene sowie Zwischenschaltung einer Tierpassage zwischen Gewinnung des Präparats und Kultivierung löste Koch diese Probleme. „In Zukunft wird man es im Kampf gegen diese schreckliche Plage des Menschengeschlechts nicht mehr mit einem unbestimmten Etwas, sondern mit einem fassbaren Parasiten zu tun haben“, sagte er 1882 der Physiologischen Gesellschaft in Berlin. Seinem Mitarbeiter Friedrich Loeffler zufolge machte die Entdeckung Koch „mit einem Schlage zum größten, erfolgreichsten und verdienstvollsten Forscher für alle Zeiten“, 1905 erhielt er dafür den Nobelpreis für Medizin. Indem Koch auch nichtbakterielle ätiologische Faktoren der Tuberkulose wie Disposition, Vererbung und soziale Bedingungen würdigte, vermied er weitgehend Kritik. Sogar Rudolf Virchow, der sich gegen eine Überschätzung der Bakteriologie wandte, bestritt die ätiologische Bedeutung des Tuberkelbakteriums für die Erkrankung nicht.

Kochs Entdeckung weckte natürlich die Hoffnung auf ein Heilmittel. Bislang existierte lediglich ein Medikament gegen die Malaria – Chinin. Doch zunächst reiste Koch mit einem Team nach Ägypten und Indien. In Kalkutta gelang es ihm, das „Kommabakterium“ Vibrio cholerae als Erreger der Cholera zu identifizieren. Entdecker des Bakteriums war Koch gleichwohl nicht. Der italienische Anatom Filippo Pacini hatte den Erreger bereits 1854 beschrieben, seine Arbeit wurde in Deutschland aber kaum beachtet. Aus seinen Beobachtungen in Dörfern Indiens schloss Koch, dass die Cholera durch verunreinigtes Wasser übertragen wurde.

Damit widersprach er dem Münchener Hygieneprofessor Max Pettenkofer. Der nahm zwar auch einen biologischen Krankheitserreger an; doch zur Erkrankung kam es ihm zufolge nur, wenn zusätzlich feuchte und poröse Böden, ein niedriger Grundwasserspiegel sowie eine individuelle Disposition vorlagen. Kochs Nachweis des Kommabakteriums widerlegte Pettenkofers Theorie. Der blieb indes skeptisch, trank 1892 sogar im Selbstversuch eine Bouillon des Erregers und zeigte nur schwache Symptome. Im gleichen Jahr brach in Hamburg eine der letzten und schwersten Choleraepidemien aus. Koch äußerte sich bestürzt über das Elend, in dem ein großer Teil der Hamburger Bevölkerung lebte: „Ich vergesse, dass ich in Europa bin!“ Mit hygienischen Maßnahmen trug er zur Eindämmung der Cholera bei.

Als gefährlicher „Flop“ erwies sich das Tuberkulin als Medikament gegen die Tuberkulose. Koch verstand die Tuberkulose zunächst so, dass Invasion der Bakterien, Infektion und Ausbruch der Krankheit zusammenfielen. Dabei nahm er an, dass der gesunde Körper frei von Bakterien sei. „Das Erscheinen der Tuberkelbazillen“ bezeichnete demnach „den Beginn des tuberkulösen Prozesses“. Bereits 1884 machte Koch sich Gedanken über ein spezifisches Medikament gegen die Erkrankung, doch dann publizierte er sechs Jahre nicht zur Tuberkulose. In diese Zeit fiel die Trennung von seiner Frau.

Nach Prüfung einer „sehr große[n] Zahl von Substanzen“ präsentierte er Ende 1890 der Öffentlichkeit das Tuberkulin. Seine Zusammensetzung hielt er geheim, nur seine beiden engsten Mitarbeiter wussten darüber Bescheid. Damals gab es noch keinen Patentschutz, und Koch hoffte nicht zuletzt, mit seinem neuen Medikament Geld zu verdienen. Nach anfänglichen Erfolgen erwies sich das neue Heilmittel aus Bestandteilen abgetöteter Tuberkelbazillen als unwirksam. Keine der berichteten „Heilungen“ hielt längere Zeit an, einige Patienten starben nach der Injektion des Mittels. Kliniker forderten, die Zusammensetzung des Mittels zu veröffentlichen, Virchows Schüler Johannes Orth sprach gar von „Tuberkulinschwindel“. Dabei stellte sich heraus, dass auch Koch die wirksamen Bestandteile seines Medikaments nicht kannte.

Ab Mitte der 1890er-Jahre erforschte Koch in Afrika Tropenkrankheiten, meistens in Begleitung seiner zweiten Frau Hedwig Freiberg, und beschrieb den Lebenszyklus des Erregers der Malaria tropica, Plasmodium falciparum. Nach der Jahrhundertwende beschäftigte er sich mit der Schlafkrankheit, verursacht durch das Protozoon Trypanosoma. Das arsenhaltige Atoxyl führte nur kurzfristig zu einer Besserung der Symptome. Obwohl Koch die Risiken kannte, erhöhte er die Dosis. Viele Patienten litten daraufhin unter Schmerzen und Koliken, einige erblindeten dauerhaft – laut RKI das „dunkelste Kapitel seiner Laufbahn“. Nach heftigen Herzbeschwerden unterzog Koch sich einer Kur in Baden-Baden, wo er am 27. Mai 1910 starb. Seine Urne wurde in einem Mausoleum im heutigen Robert Koch-Institut beigesetzt.

Literatur

  1. Berndt C: Herr der Tuberkel. In: Süddeutsche Zeitung, 4. April 2020.
  2. Gradmann C: Krankheit im Labor. Robert Koch und die medizinische Bakteriologie. Göttingen: Wallstein Verlag 2005.
  3. Website des Robert Koch-Instituts.

Entnommen aus MTA Dialog 7/2020

Artikel teilen

Online-Angebot der MT im Dialog

Um das Online-Angebot der MT im Dialog uneingeschränkt nutzen zu können, müssen Sie sich einmalig mit Ihrer DVTA-Mitglieds- oder Abonnentennummer registrieren.

Stellen- und Rubrikenmarkt

Möchten Sie eine Anzeige in der MT im Dialog schalten?

Stellenmarkt
Industrieanzeige