Patientensicherheit: Mitarbeitende sollen sich in der Verantwortung sehen

Aktionsbündnis verdeutlicht zum Welttag den akuten Handlungsbedarf
Michael Reiter
Foto vom Podium bei der Veranstaltung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS)
Podium mit Dr. Ruth Hecker (Vorsitzende des APS), Christian Deindl (stellvertretender Vorsitzender des APS), Joachim Maurice Mielert (Generalsekretär des APS) und PR-Expertin Katharina Hajek © M. Reiter
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"Patienten sind die Augen und Ohren des Systems“, stellte Dr. Ruth Hecker bei der Veranstaltung des Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) fest. Die APS-Vorsitzende plädierte für eine aktive Beteiligung der Patienten in Gremien sowie für mehr Gewicht für die Patientenstimme. Zugleich forderte sie die Mitarbeitenden in der Gesundheitsversorgung zur Mitwirkung beim Grundsatz „Primum non nocere“ auf.

Die Zahlen sind erschreckend: Zwei Millionen unerwünschte Ereignisse treten bei den jährlich rund 20 Millionen Krankenhausfällen auf. Die Hälfte sei vermeidbar, betonten die Sprecherinnen und Sprecher bei der Pressekonferenz und der Auftaktveranstaltung zum Welttag der Patientensicherheit 2023. In der ambulanten Versorgung erlebten jedes Jahr etwa 14 Prozent der Patientinnen und Patienten über 40 Jahre ein patientensicherheitsrelevantes Ereignis. Um hier endlich Verbesserungen zu erzielen, müssten Patienten einbezogen werden. Das wirksame Instrument der Patientenstimme, so Hecker, sollte in Form eines Patientensicherheitsverantwortlichen im G-BA verankert werden.

„Patienten sind die Augen und Ohren des Systems“

Der Globale Aktionsplan Patientensicherheit 2021–2030 der World Health Organization (WHO), dem Hecker das starke Zitat entnommen hatte, beschreibt die Bedeutung der Patientenrolle. „Patientinnen und Patienten, deren Familien und andere versorgende Laien bringen aus ihren Erfahrungen mit der Versorgung Erkenntnisse mit, die von Klinikern, Management oder Forschern nicht ersetzt oder reproduziert werden können.“ Dies, fuhr die APS-Vorsitzende fort, gelte insbesondere für jene, die einen Schaden erlitten hätten. So könnten Patienten und ihre Bezugspersonen den Gesundheitszustand aufmerksam beobachten und Fachpersonal alarmieren, wenn Handlungsbedarf auftrete.

Patienten sollten daher ermutigt werden, sagte Hecker, sich aktiv an ihrer Behandlung zu beteiligen und jederzeit Fragen zu stellen – auch außerhalb der aktuell vielfach geforderten PREM (Patient-Reported Experience Measures). Die transparente Kommunikation mit den Behandlungsteams trage dazu bei, behandlungsbedingte Schäden zu vermeiden. Mit dem Projekt „Patientinnen und Patienten für Behandlungssicherheit“ gewinnt das Aktionsbündnis Sprecherinnen und Sprecher, die über ihre Erfahrungen berichten und so für die Botschaft des Globalen Aktionsplans werben.

An Mitarbeitende: Verantwortung übernehmen!

Patienten benötigten Anleitung, zuverlässige Informationen sowie Ermutigung, um einen Beitrag zu ihrer Gesundheit und Sicherheit zu leisten, stellte Dr. Christian Deindl fest. So könnten sie eine aktive Rolle einnehmen. Was sie sicher nicht bräuchten, seien Bevormundung und Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg – egal, ob im Stations- oder Sprechzimmer, an OP- oder grünen Tischen von Entscheidungsträgern, ergänzte der Kinderarzt und stellvertretende APS-Vorsitzende und Präsident des Bundesverbandes Ambulantes Operieren (BAO).

Nicht nur die Operation selbst, sondern auch ihre Vorbereitung und die Nachsorge, erforderten die Übernahme von Verantwortung. Für Qualität als Grundlage der Patientensicherheit sei der Gesamtprozess ausschlaggebend – Strukturen und Prozesse mit den an der Behandlung Beteiligten. „Mitarbeitende unter Stress werden selbst zum Risiko!“, betonte Deindl; die Überbelastung müsse ein Ende haben. Hierbei könne die Digitalisierung vielfältige Unterstützung bieten, unterstrich Joachim Maurice Mielert aus eigener Erfahrung mit seiner Parkinson-Erkrankung. Patientenverwechslung sowie falsche Medikamentengabe als zentrale Sicherheitsprobleme ließen sich durch digitalisierte Prozesse vermeiden, nicht zuletzt durch die elektronische Patientenakte (ePA), erläuterte der APS-Generalsekretär. Patientensicherheit müsse die Leitplanke bei allen Projekten der Gesundheitswirtschaft und Gesundheitspolitik bilden.

Mehr Transparenz und Engagement

Als Teil eines umfangreichen Maßnahmenkatalogs forderte Hecker einen Nationalen Aktionsplan. Eine freiwillige Never-Event-Liste – längst etabliert in anderen Ländern – und eine deutschlandweite Befragung der Bevölkerung zur Patientensicherheit finden sich unter den Vorschlägen des APS. Die gesamte Bevölkerung müsse ermutigt werden, die Stimme zu erheben – als sichtbares Zeichen für Mitarbeitende: Schlechte Teams, so der Tenor bei der Veranstaltung, töten Menschen. Wer Verantwortung für Patientensicherheit übernehme, rette Leben und erspare Leid und Kosten.

 

Entnommen aus MT im Dialog 1/2024

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