Nobelpreis 1910 für Physiologie und Medizin

Albrecht Kossel
Heinz Fiedler
Albrecht Kossel
Albrecht Kossel George Grantham Bain Collection (Library of Congress)
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Albrecht Kossel (eigentlich Ludwig Karl Martin Leonhard Kossel), geboren 1853 in eine wohlhabende Rostocker Reederfamilie, gestorben 1927 in Heidelberg, war ein physiologischer Chemiker, der 1910 mit dem Nobelpreis für die Aufklärung der „Bausteine“ der Zellkerne ausgezeichnet wurde.

Er erhielt sechs Ehrendoktorate, wurde Mitglied vieler Wissenschaftlicher Gesellschaften und Herausgeber von Hoppe-Seylers Zeitschrift für physiologische Chemie. In seiner Heimatstadt Rostock wurden ein Platz und das Institut für Neuroregeneration nach ihm benannt. 1886 heiratete er Luise Holtzmann. Sein Sohn Walter (1888–1956) war bekannter Professor für Physik in Tübingen (Röntgen- und Gammastrahlenspektren, Beugung an Kristallen).

Kossel studierte ab 1872 Medizin in Straßburg, wo er besonders an Vorlesungen und Praktika von Felix Hoppe-Seyler (1825–1895, Mitbegründer der physiologischen Chemie beziehungsweise Biochemie) interessiert war. Nach Beendigung des Studiums in Rostock kehrte er sofort zu Hoppe-Seyler zurück und veröffentlichte erste Arbeiten über Viskositätsänderungen. Ein Jahr später hatte er sein Forschungsziel gefunden: das Kernmaterial. Friedrich Miescher (1844–1895) hatte 1868 aus Eiterzellen ein Material gewonnen, das er „Nuclein“ nannte. Hoppe-Seyler, als Herausgeber der Zeitschrift für physiologische Chemie, veröffentlichte die Arbeit erst 1873, nachdem er durch zwei Studenten die Daten bestätigt bekam. Kossel isolierte „Nuclein“ aus Hefezellen und fand durch Nachweis von Hypoxanthin und Xanthin auch proteinfreies Material.

Bereits mit 28 Jahren hielt er daneben Kurse über „Sepsis und Antisepsis“ und „Klinisch-Chemische Untersuchungsmethoden“. Durch den bekannten Berliner Physiologen E. DuBois-Reymond wurde er zum Leiter der Chemischen Abteilung berufen und begann mit der Aufklärung der Proteine des „Nucleins“. Neben den von Miescher gefundenen Protaminen aus Fischsperma isolierte er aus kernhaltigen Vogelerythrozyten die Histone und entdeckte darin die basischen Hexonbasen Arginin, Histidin und Lysin und deren Anordnung in den Peptidbindungen. Zur Bestimmung entwickelte er mit F. Kutscher die Silber-Baryt-Methode und nutzte die Flaviansäure zur Fällung von Arginin. Stoffwechseluntersuchungen mit Arg führten mit H. D. Dakin zur Entdeckung und Charakterisierung der Argininase (Bildung von Ornithin und Harnstoff) und von Agmatin (Dekarboxylierung von Arg, heute als Neurotransmitter erkannt). In schneller Folge isolierte er mit verschiedenen Mitarbeitern die Purin- und Pyrimidinbasen: Guanin (erstmals von B. Unger aus Guano), Adenin (1885 in Pankreas), Thymin (1893), Cytosin (1894) und Urazil (1890). Nach Isolierung der proteinfreien Nukleinsäure (1888 mit R. Altmann) konnte er in dem Makromolekül noch Phosphorsäure und ein Kohlenhydrat nachweisen.

Kossel wurde 1895 zum Professor für Physiologie in Marburg berufen. Das Institut war gerade neu gebaut und vorzüglich eingerichtet. Ständig wurden von Kossel 30 bis 40 Studenten und postgraduale Doktoren betreut. Darunter waren viele Ausländer, die später in Forschung und Lehre ihrer Länder eine große Rolle spielten: T. H. Milroy (Biochemiker, Belfast), P. Noll (Belgien) und aus den USA: A. P. Mathews, O. Folin (bekannter Analytiker), H. D. Dakin (Proteine, Arginase), E. B. Hart (Ernährungsforscher, Jodmangel bei Struma), P. Levene (RNA-Ribose, DNA-Deoxyribose) und weitere. 1901 wurde Kossel nach Heidelberg berufen, viele Marburger Mitarbeiter folgten ihm. Er leitete bis zu seinem Tod auch das Institut für Proteinforschung. Regulär sollte er 1918 emeritiert werden, aber wegen eines Proteststurms der Studenten musste dies auf 1923 verschoben werden.

Kossel war ein bedeutender und hochgeschätzter Initiator bei der Etablierung der Biochemie in Verbindung von Biologie/Physiologie (Funktion, Metabolismus) und Chemie (Struktur). Obwohl er kaum andere Länder besuchte, hat er viele junge aus- und inländische Forscher ausgebildet und die Entwicklung in verschiedenen Ländern erheblich vorangetrieben, vergleichbar mit Emil Fischer, Robert Koch und Rudolf Virchow. Das „Nuclein“ wurde von Kossel aufgespalten einerseits in Nukleinsäuren, Nukleotide und zugehörige Basen und andererseits in die Histone/Protamine und deren Aminosäuren (Hexonbasen). Damit hat er die 1842 von Carl Wilhelm von Nägeli beschriebenen Chromosomen und das 1878 von W. Flemming zytochemisch dargestellte Chromatin grobchemisch aufgeklärt. Über die Kenntnis der Basenpaarung (1945, E. Chargraff) kam es dann 1953 zur Aufklärung der DNA-Struktur (J. Watson, F. Crick, Rosalind Franklin und M. Wilkins) und der Genetik. In Erinnerung bleibt auch, dass Kossel viele analytische Verfahren durch Vorlesungen, Lehrbücher und Kurse eingeführt oder angestoßen hat.

Entnommen aus MTA Dialog 08/2016

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