Impfungen kein Risikofaktor für Multiple Sklerose

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Multiple Sklerose
PD Dr. Alexander Hapfelmeier (links)und Prof. Bernhard Hemmer, Professor für Neurologie an der TUM, diskutieren die Ergebnisse der MS-Studie. Andreas Heddergott/TUM
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MS-Erkrankte ließen sich fünf Jahre vor der Diagnose statistisch seltener impfen als Vergleichsgruppen. Ein Zusammenhang zwischen Impfungen und dem Auftreten von MS scheint somit unwahrscheinlich.

Daten von mehr als 12.000 Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose (MS) dienten als Grundlage für die Studie der Technischen Universität München (TUM), die das Impfverhalten der Bevölkerung im Zusammenhang mit MS untersuchte. Sie zeigte, dass sich MS-Erkrankte fünf Jahre vor der Diagnose statistisch seltener impfen ließen als Vergleichsgruppen. Ein Zusammenhang zwischen Impfungen und dem Auftreten von MS scheint somit unwahrscheinlich.

Man geht heute davon aus, dass die MS eine neurologische Autoimmunerkrankung ist, bei der das Immunsystem das Gehirn und Rückenmark attackiert. Sie tritt vermehrt bei jungen Menschen bis zum 40. Lebensjahr auf. Als Risikofaktoren werden auch Impfungen diskutiert. Prof. Bernhard Hemmer, Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik am TUM-Universitätsklinikum rechts der Isar, hat mit einem Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Medizinischen Fakultät und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) nun einen großen bevölkerungsrepräsentativen Datensatz der KVB von mehr als 200.000 Personen ausgewertet, darunter rund 12.000 MS-Erkrankte. Die Studie wurde im Fachjournal „Neurology“ veröffentlicht.

Die Ursachen sind unbekannt

Es zeigte sich, dass Personen fünf Jahre vor einer MS-Diagnose weniger Impfungen bekommen hatten, als Vergleichsgruppen, die keine MS entwickelten. Dies galt für die untersuchten Impfungen gegen Pneumokokken, Meningokokken, Mumps, Masern, Röteln und Windpocken, das humane Papillomavirus (HPV), Hepatitis A und B, FSME und Grippe. Bei den drei Letztgenannten fiel der Effekt besonders deutlich aus: hier ließ sich die Kontrollgruppe deutlich häufiger impfen als die späteren MS-Patientinnen und -Patienten.

„Die Ursachen kennen wir noch nicht. Vielleicht nehmen Menschen lange vor ihrer Diagnose die Krankheit wahr und verzichten deshalb auf zusätzliche Belastungen für das Immunsystem. Solche Effekte zeigen sich auch in unseren Daten. Oder die Impfung hat einen protektiven Effekt und hält das Immunsystem von Attacken gegen das Nervensystem ab. Letztlich können wir aufgrund der großen Datenmenge klar sagen, dass es keinen Hinweis darauf gibt, dass sich die Wahrscheinlichkeit für eine MS-Erkrankung oder das Auftreten eines ersten MS-Schubs durch Impfungen unmittelbar erhöht“, erklärt Alexander Hapfelmeier, Erstautor der Studie.

Daten von weiteren Patientengruppen

Die Forscherinnen und Forscher wollten zudem ausschließen, dass die Ergebnisse ein grundsätzlicher Effekt von chronischen Krankheiten sein könnten. Sie werteten deshalb zusätzlich die Daten von zwei weiteren Patientengruppen aus: Menschen mit der entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn und mit der chronischen Hautkrankheit Schuppenflechte. Auch bei ihnen waren die Impfungen fünf Jahre vor ihrer Diagnose erfasst worden.

Diese Patientinnen und Patienten ließen sich aber ähnlich oft impfen wie die gesunde Kontrollgruppe. „Die Ergebnisse sind nicht allein auf eine chronische Krankheit zurückzuführen, sondern ein MS-spezifisches Verhalten“, sagt Bernhard Hemmer und ergänzt: „Auch aus anderen Studien wissen wir, dass MS-Erkrankte lange vor Diagnose in ihrem Verhalten und ihrer Krankengeschichte auffällig sind. Sie leiden zum Beispiel häufiger an psychischen Erkrankungen und bekommen seltener Kinder. All das macht deutlich, dass die MS lange vor den neurologischen Symptomen da ist. Wir müssen geeignete Marker finden, um sie früher zu diagnostizieren. Das sehen wir als eine unserer wichtigsten Aufgaben.“

Literatur:

Alexander Hapfelmeier, Christiane Gasperi, Ewan Donnachie and Bernhard Hemmer: A large case-control study on vaccination as risk factor of multiple sclerosis. Neurology, July 30, 2019, DOI: 10.1212/WNL.0000000000008012.



Quelle: TUM, 31.07.2019

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