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Hohe Sterblichkeit an Sepsis bei Frühgeborenen in Afrika

Dringender Handlungsbedarf geboten
Hardy-Thorsten Panknin
Neugeborenes in Afrika
© kehinde/stock.adobe.com
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Die neonatale Sepsis stellt nach wie vor eine bedeutende Ursache für Neugeborenensterblichkeit in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (Low Income Countries, LIC, (Middle Income Countries, MIC) dar.

Jüngst haben die Abteilung für Kinderkrankenpflege, Hochschule für Medizin und Gesundheitswissenschaften, Wollo-Universität, Dessie, Äthiopien, Department für Notfall- und Intensivpflege, College für Medizin und Gesundheitswissenschaften, Wollo-Universität, Dessie, Äthiopien und die Division für klinische Hebammenkunde, College of Medicine and Health Sciences, Universität, Gondar, Gondar, Äthiopien eine Auswertung von Risikofaktoren für eine neonatale Sepsis in Afrika vorgenommen [1]. Einleitend stellen die Autoren fest, dass die neonatale Sepsis nach wie vor eine bedeutende Ursache für Neugeborenensterblichkeit in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (Low Income Countries, LIC, (Middle Income Countries, MIC) darstellt. Abbildung 1 zeigt Entwicklungsländer, unterteilt nach Bruttonationaleinkommen in US-Dollar pro Kopf im Jahr 2014, Quelle: Weltbank.

Infektionen, Komplikationen bei Frühgeburten und intrapartale Komplikationen tragen zusammen zu fast 90 % aller Todesfälle bei Neugeborenen bei. Ohne eine deutliche Senkung der infektionsbedingten Todesfälle bei Neugeborenen in diesen Regionen ist es unwahrscheinlich, dass das Ziel für nachhaltige Entwicklung, die Neugeborenensterblichkeit bis zum Jahre 2030 auf 12 pro 1.000 Lebendgeburten zu senken, erreicht werden kann. Weltweit sind etwa 22 %, 25 % bzw. 34 % der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren auf Neugeboreneninfektionen, intrapartale Komplikationen bzw. Frühgeburten zurückzuführen. Die höchsten Sterblichkeitsraten werden in Afrika, besonders in den Ländern südlich der Sahara, gemeldet. Fast 99 % der Todesfälle bei Neugeborenen ereignen sich in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Gegenwärtige Forschungs- und epidemiologische Studien konzentrieren sich vor allem auf die 1 % der Todesfälle in Ländern mit hohem Einkommen. Süd-Zentralasien weist die höchste absolute Zahl an Todesfällen bei Neugeborenen auf, während Subsahara-Afrika die höchsten Sterblichkeitsraten verzeichnet. Darauf verweisen die Autoren. Trotz einiger Ausnahmen haben die Länder dieser Regionen in den letzten 10–15 Jahren nur begrenzte Fortschritte bei der Reduzierung der Todesfälle bei Neugeborenen erzielt.

Afrika weist eine der höchsten neonatalen Sterberaten im Zusammenhang mit Sepsis auf (s. Infobox 1), doch die Präventionsbemühungen sind nach wie vor unzureichend. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, Neugeborenen innerhalb von 48 Stunden nach der Geburt prophylaktisch Antibiotika zu verabreichen, wenn die Fruchtblase mehr als 18 Stunden vor der Geburt geplatzt ist, die Mutter vor oder während der Wehen Fieber über 38 °C hatte oder das Fruchtwasser übelriechend oder eitrig war. Das Verständnis der Auswirkungen ist entscheidend für die Reduzierung der neonatalen Sterberate in der Region. Die Durchführung einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse zur neonatalen Sepsis, die die Hauptursachen und Risikofaktoren identifiziert, kann dazu beitragen, gezielte Präventions- und Behandlungsansätze zu entwickeln, die zu besseren Gesundheitsergebnissen und effizienteren Gesundheitssystemen führen. Lücken in den Gesundheitssystemen können aufgedeckt werden und politische Maßnahmen zur Beseitigung gesundheitlicher Ungleichheiten und zur Verbesserung der Versorgung umgesetzt werden. Erkenntnisse aus Afrika können auch zum globalen Wissen beitragen und internationale Leitlinien beeinflussen. Die frühzeitige Erkennung von Risikofaktoren kann die Gesundheitskosten senken, indem sie den Bedarf an teuren Behandlungen und langen Krankenhausaufenthalten minimiert. Ziel dieser Studie war es, das Ausmaß der Neugeborenensepsis abzuschätzen und die damit verbundenen Risikofaktoren im afrikanischen Kontext zu identifizieren.

Box 1: Infektionen der Babys:
Die Fortschritte der neonatologischen Intensivmedizin in den letzten Jahrzehnten haben dazu geführt, dass selbst Neugeborene mit extrem niedrigem Geburtsgewicht gute Überlebenschancen haben. Eine der wichtigsten Komplikationen stellt die Sepsis dar. Sie ist eine Blutkreislaufinfektion, die innerhalb der ersten 28 Lebenstage durch bakterielle, virale oder mykotische Erreger verursacht wird. Sie wird weiter in eine früh einsetzende und eine spät einsetzende Sepsis unterteilt, wobei die frühe Sepsis innerhalb der ersten 72 Lebensstunden und die spät einsetzende Sepsis nach 72 Stunden auftritt. Die früh einsetzende Sepsis wird in der Regel durch Erreger verursacht, die während der Perinatalperiode, entweder vor oder während der Geburt, erworben wurde. Eine spät einsetzende Sepsis wird typischerweise durch Infektionen verursacht, die nach der Geburt im Krankenhaus erworben wird (nosokomiale Infektion). Dabei spielen besonders gramnegative Bakterien eine führende Rolle. Die gramnegativen Erreger können entweder aus dem Darmtrakt der Mutter stammen und werden in diesem Fall während des Geburtsvorgangs auf das Kind übertragen. Diese Infektionen manifestieren sich unmittelbar nach der Geburt und werden als "early onset"-Infektionen bezeichnet. Später, während des Aufenthaltes des Kindes auf einer neonatologischen Behandlungseinheit, kann es durch horizontale Erregerübertragungen aus dem Krankenhausmilieu zu nosokomialen Infektionen kommen ("late onset"-Infektion).

 

Studiendesign

Für diese Studie wurden Daten durch eine Recherche in verschiedenen Datenbanken bis zum 20. August 2024 erhoben, darunter PubMed/MEDLINE, PubMed Central, Hinari, Google, Cochrane Library, African Journals Online, Web of Science und Google Scholar. Es wurden sowohl veröffentlichte als auch unveröffentlichte Volltextartikel in englischer Sprache aus den Jahren 2000 bis 2024 einbezogen. Quellen wie Zitate ohne Abstract oder Volltext, nicht identifizierte Berichte, Leitartikel, Forschungszusammenfassungen, Metaanalysen und qualitative Studien wurden jedoch nicht berücksichtigt. Die Qualität der ausgewählten Arbeiten wurde anhand der Checkliste zur kritischen Bewertung von Beobachtungsstudien des Joanna Briggs Institute (JBI) bewertet. Nach der Entfernung von 463 irrelevanten Studien und 1.200 Duplikaten wurden 63 Studien für eine Volltextprüfung ausgewählt. Zwei Studien wurden ausgeschlossen, da sie nicht abrufbar waren, sodass 61 Studien für eine weitere Auswertung übrigblieben. Davon wurden 13 Studien aufgrund unterschiedlicher Ergebnisse (5), Reviews (3) und unterschiedlicher Durchführungskontexte (5) ausgeschlossen. Letztendlich wurden 49 Studien mit 87.548 Neugeborenen als relevant für die Bewertung der Belastung durch neonatale Sepsis in Afrika erachtet.

Diskussion

Die Daten aus den 49 Studien wurden mithilfe eines Zufallseffektmodells analysiert, um das Ausmaß der neonatalen Sepsis und ihrer beitragenden Faktoren abzuschätzen. Sechs Schlüsselfaktoren wurden als mit neonataler Sepsis in Afrika verbunden identifiziert:

  1. ein verlängerter Blasensprung (Odds Ratio (OR) 4,11, 95 %-KI: 2,81–5,41),
  2. eine Vorgeschichte von Harnwegs- oder sexuell übertragbaren Infektionen (OR 3,28, 95 %-KI: 1,97–4,58),
  3. niedriges Geburtsgewicht (< 2.500 g) (OR 6,95, 95 %-KI: 3,00–10,89),
  4. ein APGAR-Wert (Appearance, Pulse, Grimace, Activity, Respiration) unter 7 nach einer Minute (OR 7,56, 95 %-KI: 3,39–11,73),
  5. Frühgeburt (OR 5,38, 95 %-KI: 3,23–7,52) und
  6. die Notwendigkeit einer Neugeborenenreanimation bei der Geburt (OR 3,26, 95 %-KI: 1,96–4,56).

Diese Studie ergab ferner, dass das Gesamtausmaß der neonatalen Sepsis in Afrika 40,98 % (95 % KI: 30,50 % bis 51,46 %) betrug; damit liegt sie höher als die Ergebnisse einer anderen Studie in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die auf einer einrichtungsbasierten Geburtskohorte basierte [2], sowie höher als die globale Inzidenz der neonatalen Sepsis [3].

Die höheren Raten der neonatalen Sepsis in Afrika im Vergleich zu anderen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen und zum globalen Durchschnitt könnten auf regionsspezifische Faktoren zurückzuführen sein, wie z.B. eingeschränkter Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung, höhere mütterliche Infektionsraten, unzureichende Infrastruktur für die Neugeborenenversorgung, Verzögerungen bei der Inanspruchnahme medizinischer Hilfe und mangelnde Hygienepraktiken während der Wehen und der Geburt. Darüber hinaus können Unterschiede in den Studienmethoden, einschließlich der Populationsauswahl, der Diagnosekriterien und der Datenerhebungstechniken, die gemeldeten Raten beeinflussen. Abweichungen in der Definition und Diagnose der Neugeborenensepsis zwischen den Studien können ebenfalls die Vergleichbarkeit beeinträchtigen. Die Ergebnisse dieser Studienauswertung unterstreicht die erhebliche Belastung durch Neugeborenensepsis in Afrika und betont die Notwendigkeit dringender Maßnahmen zur Verbesserung der dortigen Neugeborenenversorgung. Die afrikanischen Gesundheitssysteme benötigen bessere Infektionspräventionsmaßnahmen, Leistungen für Mütter und Neugeborene sowie einen verbesserten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Diese hohe Belastung erfordert zudem politische Reformen, Ressourcenallokation und Kapazitätsaufbau, um die Morbidität und Mortalität der Neugeborenensepsis auf dem gesamten Kontinent zu senken.

Die Ergebnisse dieser Studie können politischen Entscheidungsträgern helfen, die neonatale Sepsis zu bekämpfen, indem sie öffentliche Gesundheitsinitiativen zur Verbesserung der Mütter- und Neugeborenenversorgung, insbesondere in unterversorgten Gebieten, stärken. Ein gesteigertes Bewusstsein kann zu einer besseren Ressourcenallokation führen, z.B. mehr Mittel für die Neugeborenenversorgung, für eine verbesserte Ausbildung von Gesundheitsfachkräften und für eine verbesserte Ausstattung der Neugeborenen-Intensivstationen (NICUs = Neonatal intensive care units) bereitzustellen. Die Betonung von strengen Infektionskontrollmaßnahmen wird das Sepsisrisiko deutlich senken, insbesondere für Neugeborene, die reanimiert werden müssen.

Die Studienanalyse unterstreicht außerdem den Bedarf an weiterer Forschung, um Risikofaktoren zu identifizieren, Interventionen zu entwickeln und Leitlinien für das afrikanische Gesundheitswesen zu erstellen. Aufklärung der Bevölkerung ist unerlässlich, um das Bewusstsein für die neonatale Sepsis und die Bedeutung einer rechtzeitigen medizinischen Versorgung zu schärfen. Diese Erkenntnisse können die Gesundheitspolitik dahingehend beeinflussen, die Morbidität und Mortalität von Neugeborenen zu senken und so die Gesundheit von Müttern und Kindern in Afrika zu verbessern.

Schlussfolgerung

Das Ausmaß der Neugeborenensepsis in Afrika ist nach wie vor hoch. Die aktuelle Studie [1] identifizierte mehrere Faktoren, darunter einen langwierigen Blasensprung, eine Vorgeschichte von Harnwegs- oder sexuell übertragbaren Infektionen, ein niedriges Geburtsgewicht (< 2500 g), einen APGAR-Wert unter 7 nach einer Minute, eine Frühgeburt und Reanimation bei der Geburt. Diese Ergebnisse akzentuieren die Bedeutung eines routinemäßigen Screenings auf Risikofaktoren wie einen langwierigen Blasensprung und mütterliche Infektionen. Die Verbesserung der Schwangerschaftsvorsorge, die Schulung von Fachkräften im Umgang mit der frühen Neugeborenensepsis und die Durchsetzung von Infektionskontrollmaßnahmen, wie die lege artis Pflege zentralvenöser Zugänge und chirurgisch-gynäkologischer Instrumente, einschließlich hygienischer Händedesinfektion, Sterilisation von medikotechnischen Geräten, aseptischen Entbindungsmethoden und der verantwortungsvolle Umgang mit Antibiotika sind von entscheidender Bedeutung. Die Gewährleistung eines mütterlichen Infektionsscreenings kann das Risiko einer Neugeborenensepsis weiter senken. Dass es auch in Deutschland noch Verbesserungsbedarf gibt, zeigt ein Blick auf die Totgeburtenrate, die in Europa zwar sinkt, aber nicht in Deutschland. Sie ist hierzulande seit 2010 kontinuierlich gestiegen, von 2,8 Totgeburten pro 1.000 Geburten auf 3,7 im Jahr 2021 [4].

Literatur
1.    Endalk Birrie Wondifraw, Muluken Amare Wudu, Birhanu Desu Tefera et al.: The burden of neonatal sepsis and its risk factors in Africa. a systematic review and meta-analysis. BMC Public Health. 2025 Mar 3; 25 (1): 847, DOI: 10.1186/s12889-025-22076-w.
2.    Rudd KE, Johnson SC, Agesa KM, et al.: Global, regional, and national sepsis incidence and mortality, 1990–2017: analysis for the Global Burden of Disease Study. The Lancet. 2020; 395 (10219): 200–11, DOI: 10.1016/S0140-6736(19)32989-7.
3.    World Health Organization: Sustainable development goals-the goals within a goal: Health targets for SDG-3. 2020.
4.    Kniffka MS, Schöley J, Lee S, et al.: Stillbirth rate trends across 25 European countries between 2010 and 2021: the contribution of maternal age and multiplicity in European Journal of Public Health (2025), DOI: 10.1093/eurpub/ckae214.

Autor:
Hardy-Thorsten Panknin, Berlin

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