Heroin – einst ein frei verkäufliches Medikament

Stefanie Amend-Barudio
Titelbild zum Beitrag zur Geschichte des Heroins
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Bis heute ist Heroin die am häufigsten konsumierte Droge mit einem starken Abhängigkeitspotenzial. Entdeckt und vertrieben wurde das Mittel jedoch als Husten- und Schmerzmedikament.

Felix Hoffmann, ein deutscher Chemiker und Apotheker, arbeitete bei den „Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co“ (so der damalige Name der Pharmafirma Bayer). Am 21. August 1897 experimentierte Hoffmann im Labor. Er testete die Reaktion verschiedener Mittel mit Essigsäure auf der Suche nach einem neuen Medikament, welches im Gegensatz zu Codein und Morphin bei Erkrankungen der Lunge und Bronchien eingesetzt werden kann, ohne jedoch abhängig zu machen. So mischte er Alkaloide mit Essigsäure und ließ Diacetylmorphin entstehen. Allerdings hatte zuvor schon der britische Chemiker Charles Romley Alder Wright (1844–1894) 1874 Diacetylmorphin synthetisiert. Er verfolgte die Entdeckung aber nicht weiter.

In den nun folgenden Versuchen an Tier und Mensch zeigte sich ein brauchbares, schnell wirkendes und zuverlässiges Medikament zur Bekämpfung von Husten und Brustschmerzen. Ungünstige Nebenwirkungen traten keine auf. Im Juni 1898 ließ Bayer das Medikament unter dem Namen „Heroin“ (von altgr. heros, Held) registrieren. Es zeigte sich, dass es nicht nur bei Atemwegserkrankungen hilft. Heroin wurde recht zügig als Allheilmittel eingesetzt. Ärzte behandelten um den Jahrhundertwechsel damit Herz- und Kreislauferkrankungen, Depressionen und Demenz, „starke Masturbationen“ und „Nymphomanie“, bei Geschlechtskrankheiten kamen sogar Heroin-getränkte Tampons zum Einsatz.

 

Auch rund 20 Jahre nach der Markteinführung in Deutschland gab es hierzulande keine Heroinabhängigen. Wie war das möglich? Das Heroin wurde in Apotheken in reiner Form verkauft, nicht gestreckt und somit verunreinigt. Auch die Art der Heroin-aufnahme war entscheidend, denn es wurden nur wenige Milligramm des Mittels eingenommen. Die Menge war ein Bruchteil dessen, was sich Abhängige heute spritzen. So kam es bei den Patienten zur Schmerzlinderung und eventuell einer leichten Euphorie, jedoch nicht zum Rauschzustand. Allerdings hatte sich auch herausgestellt, dass die wiederholte Gabe von Heroin zu einer Toleranzentwicklung führt und die Patienten bald heroinabhängig werden können.

Die ersten Heroinsüchtigen gab es dann um 1910 in den USA, nachdem dort das Rauchen von Opium und der Konsum von Kokain illegalisiert wurden. Die Abhängigen entdeckten das Heroin für ihre Zwecke, denn beim Rauchen, Schnupfen oder auch intravenösen Spritzen der Substanz entstehen starke Rauschzustände mit Schmerzlinderung und Euphorie. Als schließlich immer mehr Fälle von Missbrauch und Abhängigkeit bekannt wurden, nahm Bayer das Medikament 1931 vom Markt.

Heute wird Heroin noch in Großbritannien legal für Medizin und Wissenschaft hergestellt. In einigen Ländern, auch in Deutschland, erhalten Drogensüchtige Heroin im Rahmen einer Therapie, als Schmerzmittel wird es in den USA und Großbritannien verschrieben. Heroin gilt heute immer noch als eines der effektivsten Schmerzmittel, ist beruhigend und weder krebserregend noch organschädigend (bei entsprechender Dosierung).


Literatur

  1. de Ridder M: Heroin: New Facts About an Old Myth. Journal of Psychoactive Drugs 1994; 26 (1): 65–8, DOI: 10.1080/02791072.1994. 10472603.

  2. Hosztafi S: A heroin története (The history of heroin). Acta Pharm Hung August 2001; 71 (2): 233–42. Hungarian. PMID: 11862675.

  3. Kellerhoff SF: Vom Hustensaft zum tödlichen Cocktail. Welt, veröffentlicht am 6. Februar 2014, https://www.welt.de/vermischtes/article124588768/ Vom-Hustensaft-zum-toedlichen-Cocktail.html.

 

Entnommen aus MTA Dialog 10/2022

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