"Handy-Diät" und Null-Promille-Grenze

Orthopäden und Unfallchirurgen
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Verkehrsunfallstatistik
Viele Unfälle gehen auf Handy-Nutzung und Alkohol am Steuer zurück. Fotolia/Minerva Studio
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3.459 Menschen wurden im vergangenen Jahr auf deutschen Straßen getötet. Im Vergleich zum Vorjahr (3.377) ist das ein Anstieg um 2,4 Prozent.

Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) sieht die heute vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Verkehrsunfallstatistik 2015 mit Sorge: 3.459 Menschen wurden im vergangenen Jahr auf deutschen Straßen getötet. Im Vergleich zum Vorjahr (3.377) ist das ein Anstieg um 2,4 Prozent. Damit ist die Anzahl der Unfalltoten zum zweiten Mal in Folge gestiegen. Zuvor war die Zahl der tödlich verunglückten Verkehrsteilnehmer mit wenigen Ausnahmen über drei Jahrzehnte kontinuierlich gesunken.

„Diese Bilanz zeigt, dass sinkende Unfallzahlen kein Selbstläufer sind und sämtliche Anstrengungen zur Unfallprävention nicht nachlassen dürfen“, sagt DGOU-Generalsekretär Reinhard Hoffmann. Viele Unfälle gehen laut Unfallexperten auf Handy-Nutzung und Alkohol am Steuer zurück. Hier sieht die DGOU Handlungsbedarf und rät zu einer konsequenten „Handy-Diät“ im Straßenverkehr sowie Einhaltung der Null-Promille-Grenze.

„Wer bei Tempo 50 nur fünf Sekunden mit dem Handy beschäftigt ist, befindet sich mit seinem Auto 70 Meter im Blindflug“, warnt Hoffmann. Der Griff zum Handy steigert die Unfallgefahr etwa um das Fünffache, das Lesen und Schreiben von Nachrichten sogar um das Zehnfache. „Es ist lebensgefährlich, während der Fahrt mit dem Smartphone zu hantieren. Das muss jedem Autofahrer bewusst sein“, betont Hoffmann. Angesichts des hohen Unfallrisikos zeige die aktuelle Bußgeldhöhe von 60 Euro für Autofahrer inklusive einem Punkteeintrag im Fahreignungsregister in Flensburg beziehungsweise 25 Euro für Fahrradfahrer offensichtlich keine ausreichende Abschreckungswirkung.

Fahren unter Alkoholeinfluss

Zu den Hauptursachen schwerer und tödlicher Verkehrsunfälle gehört laut der Experten nach wie vor das Fahren unter Alkoholeinfluss. 256 Menschen sind im vergangenen Jahr bei Alkoholunfällen ums Leben gekommen. In Deutschland begehen Autofahrer erst ab 0,5 Promille eine Ordnungswidrigkeit, ab 1,1 Promille eine Straftat. Für Fahrradfahrer gilt im Straßenverkehr ein Alkoholgrenzwert von 1,6 Promille. Dabei können bereits geringste Promillewerte das Seh- und Reaktionsvermögen sowie die Fahrtüchtigkeit gravierend einschränken, sagen Unfallchirurgen.

„Ausfallerscheinungen können bereits bei niedrigeren Blutalkoholwerten auftreten. Autofahrer können Entfernungen anderer Verkehrsteilnehmer und Geschwindigkeiten oft gar nicht mehr realistisch einschätzen“, erklärt Christopher Spering, Sektionsleiter Prävention der DGOU. Aus seiner täglichen Arbeit am Traumazentrum des Universitätsklinikums Göttingen weiß der Unfallchirurg, dass die Rettung und Behandlung schwerverletzter Unfallopfer oftmals ein Wettlauf gegen die Zeit ist. „Im Sinne der Vision Zero ist angesichts der hohen Zahl der Unfallopfer die Einführung eines konsequenten Alkoholverbots sowohl am Steuer als auch auf dem Rad daher nur logisch“, unterstreicht Hoffmann die Notwendigkeit einer unmissverständlichen Null-Promille-Grenze in Deutschland.

Neue Herausforderungen für die Verkehrssicherheitsarbeit sieht die DGOU in der Zukunft auch im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel und dem zunehmenden Wunsch nach Mobilität im Alter. Denn: Kommt es zu einem Verkehrsunfall, erleiden ältere Menschen häufig deutlich schwerere Unfallfolgen, so die Erfahrung der Orthopäden und Unfallchirurgen. Zahlen aus dem TraumaRegister DGU zum demografischen Wandel zeigen: 3 Prozent aller schwerverletzten Motorradfahrer sind älter als 70 Jahre. Auch wenn sie lebend die Klinik erreichen, steigt das Risiko, an den Unfallfolgen zu sterben, mit zunehmendem Alter bis auf das Vierfache bei älteren schwerverletzten Motorradfahrern.

Aufklärung über altersbedingte Risiken im Straßenverkehr

Laut Bundesagentur für Straßenwesen waren 10 Prozent der verunglückten Pkw-Insassen in den vergangenen beiden Jahren mindestens 65 Jahre alt – knapp 30 Prozent dieser Altersgruppe erlitt bei Unfällen tödliche Verletzungen. Allerdings wurden nur 10 Prozent aller Unfälle durch Pkw-Fahrer in dieser Altersgruppe auch tatsächlich verursacht.

Gemeinsames Ziel müsse es sein, die Zahl der Unfallopfer über alle Altersgruppen hinweg deutlich zu reduzieren, so der Appell der DGOU. Auf dem Gebiet der Verkehrsunfallprävention engagiert sich die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie bereits mit dem Aufklärungsprogramm P.A.R.T.Y., das sich speziell an jugendliche Verkehrsteilnehmer im Alter von 15 bis 18 Jahren richtet. Einen wichtigen Beitrag zur Unfallverhütung können nach Meinung der DGOU ebenso praxisorientierte Beratung und Aufklärung über altersbedingte Risiken im Straßenverkehr, medizinische Angebote zu freiwilligen Gesundheits-Checks für ältere Verkehrsteilnehmer sowie innovative Pkw-Ausstattungen mit modernen Fahrer-Assistenzsystemen leisten.


Quelle: Pressemitteilung Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, 12.07.2016



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