Hämophilie A: Was führt zu Antikörpern gegen FVIII?

Beteiligte Immunreaktionen identifiziert
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Warum entstehen Antikörper bei Hämophilie A
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Hämophilie A-Patienten erhalten meist Blutgerinnungsfaktor VIII aus Spenderblut oder aus gentechnischer Herstellung. Einige entwickeln aber Antikörper dagegen. Doch was ist die Ursache dafür?

Hämophilie A ist die häufigste Form der Hämophilie (Bluterkrankheit). Durch den teilweisen oder vollständigen Mangel bzw. Funktionsverlust des Blutgerinnungsfaktors VIII (FVIII) kommt es bei Betroffenen zu spontanen oder verlängerten Blutungen. Der Faktor VIII ist an der sekundären Hämostase entscheidend beteiligt. Er aktiviert im Rahmen der Gerinnungskaskade den Faktor X. Betroffen von Hämophilie A sind fast ausschließlich Jungen bzw. Männer (Hämophilie-Inzidenz beträgt ca. 1:5.000 bei männlichen Neugeborenen). Die sogenannte Substitutionstherapie besteht üblicherweise darin, den fehlenden Gerinnungsfaktor VIII regelmäßig per Injektion zuzuführen und so die normale Blutstillung zu ermöglichen. Das FVIII-Protein wird hierfür entweder aus Spenderplasma gewonnen oder gentechnisch (rekombinant) hergestellt. Alternativ kann der die Funktion von Faktor VIII ersetzende monoklonale Antikörper Emicizumab gespritzt werden.

Antikörperbildung gegen FVVIII

Die schwerwiegendste Komplikation bei der Behandlung der Hämophilie A ist die Entwicklung von Antikörpern gegen den Faktor VIII (auch Inhibitoren genannt), die bei circa 35 Prozent der Patienten mit schwerer Hämophilie A insbesondere in der frühen Phase ihrer Behandlung auftreten. Das Risiko hierfür ist bei Hämophilie-A-Patienten, denen körpereigener FVIII vollständig fehlt, höher als bei Patienten mit leichter oder mittelschwerer Hämophilie A, bei denen FVIII noch zu einem gewissen Anteil funktionsfähig ist. Allerdings ist es auch möglich, dass Patienten mit geringfügigen FVIII-Variationen Inhibitoren entwickeln und umgekehrt Patienten mit schwerer Hämophilie A keine Inhibitoren entwickeln. Es scheinen noch weitere Faktoren wie z.B. immungenetische Eigenschaften oder auch die Intensität und die Umstände einer FVIII-Behandlung eine Rolle zu spielen.

Was begünstigt die die Inhibitorbildung?

Welche immunologischen Prozesse schließlich zur Entwicklung von Inhibitoren gegen FVIII-Produkte führen, ist noch nicht vollständig geklärt. Die Vermutung ist, dass immunologische Gefahrensignale die Inhibitorbildung begünstigen. Damit sind Moleküle bzw. Botenstoffe gemeint, die dem Körper eine kritische Situation vermitteln. Dies sind zum Beispiel Moleküle, die typischerweise auf der Oberfläche von Bakterien vorkommen (Lipopolysaccharide, LPS) oder bestimmte Eiweiße bzw. Botenstoffe, die der Körper während einer Operation ausschüttet. So wurde beobachtet, dass die Vermeidung einer FVIII-Behandlung beispielsweise während akuter Infektionskrankheiten – Ereignisse, die mit dem verstärkten Vorhandensein von immunologischen Gefahrensignalen verbunden sind – das Risiko der Inhibitorbildung verringert.

Behandlungsrisiko verringern?

„Die Bildung von Antikörpern gegen Gerinnungsfaktor VIII, die meist als Inhibitoren bezeichnet werden, ist eine gefürchtete Komplikation bei der Substitutionstherapie von Hämophilie-A-Patienten. Wir haben jetzt herausgefunden, dass für die Bildung dieser Inhibitoren Komplement-Proteine, die zum angeborenen Immunsystem gehören, im Zusammenspiel mit sogenannten Gefahrensignalen eine wichtige Rolle spielen. Mit Gefahrensignalen sind hier zum Beispiel Moleküle gemeint, die dem Körper als Hinweis auf eine Infektion dienen. Mit diesem Wissen lassen sich möglicherweise Ansätze entwickeln, um das Behandlungsrisiko der Inhibitorbildung bei Hämophilie-A-Patienten zu senken", fasst Prof. Zoe Waibler, Leiterin des Fachgebiets Produktprüfung immunologischer Arzneimittel und stellvertretende Leiterin der Abteilung Immunologie des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), die Studie zusammen. In früheren Studien hatte eine Forschungsgruppe um Prof. Waibler bereits gezeigt, dass aus Plasma gewonnenes FVIII-, nicht aber rekombinantes FVIII-Protein in Gegenwart solcher Gefahrensignale des Immunsystems Immunzellen (dendritische Zellen) aktivieren kann, die anschließend die Bildung spezifischer T-Zellen vermitteln können.

T-Zell-Reaktionen beeinflussen

In der aktuellen Studie hat die Forschungsgruppe nun untersucht, ob Bestandteile des Blutplasmas, die natürlicherweise in plasmatischen FVIII-Produkten aber auch im Plasma des Menschen enthalten sind, in der Lage sind, T-Zell-Reaktionen zu beeinflussen. T-Zellen spielen eine ganz wesentliche Rolle im Immunsystem. Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass die Zugabe von Plasma zu rekombinantem FVIII und Lipopolysaccharid-stimulierten Immunzellen, den sogenannten dendritischen Zellen, das Heranreifen von gegen FVIII gerichtete T-Zellen induziert. Lipopolysaccharide befinden sich auf der Oberfläche von Bakterien und werden vom Immunsystem als Gefahrensignal wahrgenommen. In weiteren Experimenten wies die Forschungsgruppe nach, dass die Komplementproteine C3a und in geringerem Maße C5a entscheidend an diesen LPS-vermittelten T-Zell-Reaktionen beteiligt sind.

Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Komplementproteine die T-Zell-Reaktionen auf FVIII stark beeinflussen und erklären könnten, warum die Gabe von FVIII in bestimmten Situationen wie beispielsweise bei Infekten zur Entwicklung von Inhibitoren beitragen könnte.

Literatur:
Ringler E, Ortega Iannazzo S, Herzig J, et al. (2023): Complement protein C3a enhances adaptive immune responses towards FVIII products. Haematologica Feb 2 [Epub ahead of print], DOI: 10.3324/haematol.2022.281762.

Quelle: PEI

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