Das ist insbesondere angesichts der demografischen Entwicklung und des damit einhergehenden Bedarfs an Forschung, beispielsweise im Bereich der Demenzerkrankungen, von Bedeutung. Voraussetzung dafür ist, dass die Probanden zuvor im einwilligungsfähigen Zustand einer solchen Forschung im Anschluss an eine ärztliche Aufklärung schriftlich zugestimmt haben. Was die neue Rechtslage für die praktische Umsetzung bedeutet, legt die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) nun in einer Stellungnahme dar.
„Forschungsvorhaben mit nichteinwilligungsfähigen Menschen sind aus ethischer und rechtlicher Sicht problematisch“, erklärt Prof. Dr. Jochen Taupitz, Vorsitzender der ZEKO. Dies gelte vor allem dann, wenn nicht der Proband selbst, sondern andere, gleichermaßen Betroffene, einen Nutzen aus der Teilnahme ziehen. Derartige Forschung wird als „gruppennützige Forschung“ bezeichnet.
Das europäische wie auch das nationale Gesetzgebungsverfahren wurde von intensiven Diskussionen über die Zulässigkeit gruppennütziger Forschung mit Nichteinwilligungsfähigen begleitet. Infolgedessen hat der deutsche Gesetzgeber im Vergleich zur europäischen Rechtslage strengere nationale Vorgaben erlassen.
Ungeklärte Fragen der praktischen Umsetzung
Die nach wie vor anhaltenden Diskussionen sowie bestehenden Unsicherheiten bei der Auslegung der neuen rechtlichen Regelungen waren Anlass für die ZEKO, die ethischen Anforderungen an gruppennützige Forschung mit nichteinwilligungsfähigen Personen darzulegen und einen Beitrag zu der dringend erforderlichen Diskussion zur Auslegung der neuen Rechtslage zu leisten.
Die Stellungnahme zeigt gleichzeitig auch auf, dass Fragen der praktischen Umsetzung teilweise ungeklärt sind. So bemängelt die ZEKO, dass die Abgrenzung der gruppennützigen zur eigennützigen Forschung im Gesetz nicht eindeutig definiert ist. „Die Gruppe, auf die sich ‘gruppennützig‘ bezieht, sollte als die Gruppe mit derselben Krankheit oder demselben klinischen Zustand wie der Proband verstanden werden“, erklärt Taupitz.
Unzureichend definiert seien ferner die Anforderungen zum Schutz der Probanden. Nach Auffassung der ZEKO sollte in Anlehnung an die aktuelle Fassung des Arzneimittelgesetzes das Risiko einer Intervention dann als „minimal“ angesehen werden, wenn „nach Art und Umfang […] zu erwarten ist, dass sie allenfalls zu einer sehr geringfügigen und vorübergehenden Beeinträchtigung der Gesundheit der betroffenen Person führen wird“. Von einer minimalen Belastung werde gesprochen, wenn zu erwarten sei, dass die Unannehmlichkeiten für die betroffene Person allenfalls vorübergehend auftreten und sehr geringfügig sein werden.
Aufklärung und Information
Zudem beleuchtet die Stellungnahme die Aufgaben der Ärztinnen und Ärzte bei Aufklärung und Information. Taupitz betont: „Die potenziellen Studienteilnehmer sind so aufzuklären, dass sie einen geeigneten Informationshintergrund erhalten, um über eine Beteiligung, Nicht-Beteiligung oder eingeschränkte Beteiligung entscheiden und dies dokumentieren zu können.“
Vor allem müsse in dem ärztlichen Aufklärungsgespräch deutlich darauf hingewiesen werden, dass mit der möglichen Studienteilnahme kein individueller Nutzen für den Betroffenen verbunden sei. In der Stellungnahme wird weiter aufgezeigt, dass die Entwicklung praxistauglicher Informationsmaterialien zur Unterstützung der Ärztinnen und Ärzte, Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer und gegebenenfalls deren rechtlicher Vertreter ein wichtiges Desiderat darstellt.
Quelle: Bundesärztekammer, 07.03.2019
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