Die Aufgabe von synthetischen Wirten ist es, medizinische Wirkstoffe und Hormone in den Körper zu transportieren und gezielt freizusetzen. Diese Moleküle schließen Wirkstoffe in einem Hohlraum ein, bei Steroiden übernehmen das bislang vor allem ringförmige Glucose-Moleküle. Mit den fassförmigen Cucurbiturilen haben Wissenschaftler vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Jacobs-Universität Bremen jetzt eine neue Wirtsmolekülklasse entdeckt, die schwer lösliche Steroide wie Kortison oder Estradiol schonender und effizienter zur Wirkung bringen kann.
„Wir haben festgestellt, dass die Wirtsklasse der Cucurbiturile eine höhere Affinität zu den für den medizinischen Einsatz entscheidenden Steroiden hat als die der Cyclodextrine“, erklärt Frank Biedermann, Wissenschaftler am Institut für organische Chemie des KIT. Die ringförmige Glucose Cyclodextrin ist ein relativ großes Molekül, das durch seine flexible Form einerseits anpassungsfähig ist, andererseits aber auch leichter kollabiert.
Um die notwendige Wasserlöslichkeit zu erzeugen, braucht man daher eine höhere Dosis des Wirkstoffes und des Begleitmittels. Dies erhöht die unerwünschten Nebenwirkungen des entsprechenden Medikamentes. Zudem verbinden Cyclodextrine sich bevorzugt mit dünneren Molekülketten wie den als Wirkstoff nicht relevanten Cholesterinen.
Steroidhaltige Cucurbiturile sind wesentlich stabiler
Anhand von Versuchen mit den Hormonen Testosteron und Estradiol, dem Entzündungshemmer Cortisol und den Muskelrelaxantien Pancuronium und Vercuronium haben die Experten nachgewiesen, dass steroidhaltige Cucurbiturile wesentlich stabiler sind, und die Wasserlöslichkeit ihres Gastmoleküls stärker erhöhen. Außerdem können sie als Wirkstoffdepot fungieren, weil sie auch in Blutserum und Magensäure stabil bleiben und Steroide langsamer im Körper freisetzen. Die neue Wirtsgruppe ist biokompatibel und kann in geringerer Dosierung und selektiver eingesetzt werden. In der Folge könnten Medikamente auf Steroidbasis besser wirken, ihre Nebenwirkungen könnten zurückgehen und die Herstellungskosten sinken.
„Mit Hilfe von Cucurbiturilen könnten in Zukunft neue und effizientere Formulierungen von Steroid-Wirkstoffen entwickelt werden“, ist Werner Nau, Experte für supramolekulare Chemie an der Jacobs-Universität Bremen, überzeugt. Doch nicht nur die Pharmakologie profitiert nach Einschätzung der beiden Wissenschaftler von den neuen Wirkstofftransportern, sondern auch die biologische Grundlagenforschung. Denn Cucurbiturile ermöglichen in Verbindung mit einem Indikator-Farbstoff auch, die Interaktion zwischen Steroiden und Enzymen auf ihrem Weg durch den Körper in Echtzeit zu beobachten.
Wie vielfältig einsetzbar diese Moleküle sind, soll ein neues Forschungsprojekt zeigen, das Biedermann gerade am KIT startet. Der Wissenschaftler will nachweisen, dass Cucurbiturile Steroide nicht nur mobilisieren, sondern auch wieder immobilisieren können, etwa wenn sie über die Ausscheidungen des Körpers ins Grundwasser gelangen.
Quelle: idw/Karlsruher Institut für Technologie, 07.11.2016
J.Am.Chem.Soc. 2016, 138, 13022-13029;
pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/jacs.6b07655.
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