Der Schweizer Mediziner Prof. Thomas E. Schläpfer ist stellvertretender Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn und Associate Professor an der John Hopkins University in Baltimore/USA. Die Laudatio hielt der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. Der FDP-Vorsitzende würdigte in seiner Rede im Haus der Commerzbank am Brandenburger Tor die Arbeit Schläpfers: "Herr Professor Schläpfer und sein Team gehen einen neuen Weg, der vielen von dieser schweren Erkrankung betroffenen Menschen eine Perspektive bietet. Die ersten Erfolge zeigen, dass sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit auszahlt. So wird nicht nur den Betroffenen geholfen, sondern auch die Depressionsforschung insgesamt voran gebracht."
10% leiden an therapieresistenter Depression
Jeder fünfte Mensch erkrankt im Leben mindestens an einer depressiven Episode. Etwa zehn Prozent der erkrankten Patienten leiden an einer so genannten therapieresistenten Depression. Dies bedeutet, dass die Betroffenen nicht auf die Behandlung mit den herkömmlichen Verfahren wie Psychotherapie und Medikamenten ansprechen. Prof. Schläpfer: "Dies führt dazu, dass diese Patienten weiter an der schlimmsten Erkrankung leiden, die die Menschheit kennt".
Seit etwa zehn Jahren wird versucht, diesen depressiven Patienten mit dem Therapieverfahren der tiefen Hirnstimulation zu helfen, die schon seit etwa 20 Jahren mit Erfolg auch in der Neurologie eingesetzt wird. Dazu werden in einer sogenannten stereotaktischen Operation mit Hilfe von bildgebenden Verfahren in unterschiedliche Zielregionen im Gehirn Elektroden eingesetzt. Diese werden mittels unter der Haut verlegter Kabel mit einem Generator verbunden, der ähnlich einem Herzschrittmacher die elektrische Stimulation ermöglicht. Die Wirkung dieser Therapie in verschiedenen Zielgebieten wurde systematisch untersucht und etwa der Hälfte der operierten Patienten wurde damit signifikant geholfen.
Forschungen beschleunigen
Prof. Schläpfer: "Wir sind außerordentlich dankbar für die Zuerkennung des Preises der Klüh Stiftung. Der damit verbundene Geldbetrag ermöglicht uns, die Forschungen schneller voranzutreiben als gedacht. Auch die damit einhergehende mediale Aufmerksamkeit hilft, unser Thema in den Fokus zu rücken, wofür ich sehr dankbar bin."
Erst kürzlich hatte der Mediziner mit einem neuen Konzept eine wichtige Verbesserung seiner Therapie erzielt. Das Forscherteam fand heraus, dass alle für die tiefe Hirnstimulation relevanten Punkte nahe beieinander liegen, nämlich im medialen Vorderhirnbündel, einem Nervenstrang, der verschiedene Punkte des Belohnungssystems miteinander verbindet. Vier Studien belegten laut Prof. Schläpfer, dass eine Stimulation von verschiedenen Teilen des Belohnungssystems starke und anhaltende antidepressive Effekte hat.
Belohnungssystem spielt entscheidende Rolle
Das Kernsymptom der Depression ist die Anhedonie, die Unfähigkeit Freude zu erleben in Situationen, die bisher Freude gemacht haben. So empfindet etwa ein Fußballfan keine Freude mehr, wenn seine Mannschaft ein Tor schießt. Prof. Schläpfer: "Diese so genannten hedonen Reize werden im Belohnungssystem des Gehirns verarbeitet, ein Hirnsystem, das uns Menschen Informationen darüber gibt, wenn ein Reiz oder eine Empfindung gut für uns ist. Bei der schweren Depression scheint nun exakt dieses System in seiner Funktion gestört zu sein."
Alle Studien belegten bei ca. 85% der Probanden eine antidepressive Wirkung. Prof. Schläpfer: "Gefühle der Hoffnungslosigkeit und Antriebslosigkeit verringerten sich teilweise innerhalb von wenigen Tagen." Dieses Verfahren, glaubt der Mediziner, könnte durch die wachsende Erfahrung, die weitere technische Entwicklung der Elektroden und der Bildgebung ein viel versprechendes Mittel in der Bekämpfung der Depression sein und vielen Betroffenen Hoffnung machen. Weitere Studien müssten nun diese ersten Resultate bestätigen und zeigen, wie nachhaltig die Behandlung wirkt. Wichtig sei dabei die Interdisziplinarität des Behandlungsteams: Psychiater, Psychologen und Neurochirurgen müssten eng zusammenarbeiten. (ots, red)
Hintergrundinformation:
Die Preisverleihungen der Klüh Stiftung sollen dazu beitragen, dass besonders auszeichnungs- und förderungswürdige Projekte entweder ihre Anerkennung oder ihre Förderung durch die Zuerkennung eines Preises erhalten. Seit ihre Gründung 1986 anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Klüh-Gruppe hat die Stiftung rund 703.000 Euro an Preisgeldern ausgeschüttet und ein breites Spektrum von medizinischen Forschungen unterstützt. Die bisherigen Förderpreise wurden in der Regel für medizinische Forschungsarbeiten vergeben, für die keine öffentlichen Mittel bereitgestellt wurden. Stiftungsgründer ist Unternehmer Josef Klüh, Alleininhaber des international tätigen Multiservice-Anbieters Klüh Service Management GmbH.
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