Das Projekt „Radiologische Artefakte“ (3)

Historisches
Efim Flom
Das Projekt „Radiologische Artefakte“ (3)
Moderne Linearbeschleuniger, Strahlentherapie Unikliniken Düsseldorf © Klinik Homepage
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Zum Schluss untersuchten wir die letzte und schwierigste Frage nach den Menschen, deren Arbeit wir heute betrachten. Beim Lesen von alten Briefen und Dokumenten findet man lediglich ein paar Namen. Und doch, glücklicherweise, haben wir bei unserer Recherche weitere Hinweise gefunden.

Zum Schluss untersuchten wir die letzte und schwierigste Frage nach den Menschen, deren Arbeit wir heute betrachten. Über die Leitung der Krankenanstalten Düsseldorf und den Leiter der Medizinischen Klinik, Prof. August Hoffmann, ist vieles bekannt. Aber die weniger prominenten Mitarbeiter, ob Ärzte oder Röntgenassistenten, die an den Röntgenapparaten gearbeitet haben, die Diagnosen gestellt oder die Aufnahmen gemacht haben, sind für unser Projekt ebenso bedeutsam und wichtig!

Beim Lesen von alten Briefen und Dokumenten findet man lediglich ein paar Namen. Und doch, glücklicherweise, haben wir bei unserer Recherche weitere Hinweise gefunden. Zu den Namen im Düsseldorfer Stadtarchiv existieren aus dieser Zeit sogar noch Personalakten von circa zehn Personen. Wir erhielten dazu die Akteneinsicht und durften die Angaben auch fotografieren, sodass sie uns als Fotodateien zur Auswertung erhalten bleiben.

Wer waren diese Menschen und Mitarbeiter? Meistens Krankenschwestern oder Rotkreuzschwestern, die man in Röntgenabteilungen und besonderen fachlichen Kursen fortgebildet hat. Drei Rotkreuzschwestern haben sogar damals die beste Röntgenassistenzausbildung im Lette-Verein Berlin, der ältesten MTA-Schule in Deutschland, abgeschlossen.

„Abgangszeugnis“ Lette-Verein Berlin 1922, von einer Röntgenschwester der Medizinischen Klinik | © Stadtarchiv Düsseldorf

Zu dem Personenkreis dieser zeitlichen Periode in der Medizinischen Klinik gehörte unter anderem Dr. Gustav Pfeffer. Es gibt sogar ein Foto (circa 1924) von Dr. Pfeffer, der damals noch junger Radiologe war, dann Assistenzarzt und zuletzt Oberarzt wurde.

Personalakte (links) und Archivfoto (rechts) von Dr. Pfeffer, Medizinische Klinik, circa 1924 | © Stadtarchiv Düsseldorf und Universitäts‧archiv der Heinrich-Heine-Universität

Der Elektromechaniker Fritz Schnell aus der Elektrotechnischen Werkstatt, der später auch die Betriebsleitung übernommen hatte, ist sehr oft in den Briefen und Dokumenten für die Installation, Einrichtung und Reparatur der damaligen Röntgenanlagen erwähnt worden. Von den Röntgenschwestern selbst liegen ebenfalls viele Informationen vor. Hier fanden wir zum Beispiel die „prominentesten“ Schwestern, Bertha Collette und Else Allin.

Schwester Bertha Collette wurde erst mit 36 Jahren Krankenschwester. Seit 1912 war sie in den Krankenanstalten tätig. Bei dem Klinikleiter Prof. Stern in der Hautklinik hatte sie die Aufgaben und Qualifikation zur Röntgenassistenz erlernt. Sie hat anschließend in der Medizinischen Klinik und dem Röntgentherapeutischen Institut von Prof. Schreus gearbeitet. Collette hatte zuvor die Katholische Mädchenschule (Volksschulbildung) besucht und deshalb im Jahr 1929 wegen dieses Schulabschlusses leider keine Anerkennung vom Regierungspräsidenten als „technische Assistentin in der Medizin“ bekommen. Dies ließ sich auch trotz mehrerer Anfragen von der Klinikleitung und lobenden Worten zu ihrer Person und ihrem Charakter von Prof. Schreus nicht ändern. Schwester Bertha Collette wurde schließlich 1931, aus gesundheitlichen Gründen, in den Ruhestand versetzt.

Rotkreuzschwester Else Allin hatte 1907, sofort nach der Gründung der Krankenanstalten Düsseldorf, als Röntgenschwester angefangen. Sie hatte schon eine sehr gute Ausbildung mit drei Semestern im Lette-Verein Berlin und zuvor zwei Jahre Erfahrung im Krankenhaus Hamburg-Eppendorf erworben. Anfangs war sie in der Chirurgie, danach auch in der Medizinischen Klinik tätig. Außerdem war sie Teilnehmerin am Physiotherapie Kongress 1913. Sie hatte weiterhin mehrere Fortbildungen gemacht und war somit vertraut mit den neuesten Röntgenanlagen. Eine hochgeschätzte Persönlichkeit, die 1926 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt wurde.

Die Personalakten enthalten sogar noch weiterführende Daten und Angaben, wie handgeschriebene Lebensläufe, Charakteristiken, Urlaubsanträge, Krankenscheine und Pensionsdokumente, die das Arbeitsleben der Mitarbeiter/-innen dokumentierten. Eine Gemeinsamkeit fällt aber dabei auf: Schwere Schicksale, Lungen-, Bindegewebe-, Augenerkrankungen, die auf die Wirkung von Röntgenstrahlung zurückzuführen sind, beschreiben das Leid, welches das Berufsleben damals mit sich brachte. Bei manchen Röntgenschwestern wurde dies sogar in ärztlichen Gutachten offiziell als Begleiterkrankung bestätigt.

Zwischen den Düsseldorfer Allgemeinen Krankenanstalten zum Anfang des 20. Jahrhunderts und dem Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) heute liegen ganze Epochen. Unser Projekt der MTA-Schule, ein Projekt von Schülern unterschiedlicher Nationalitäten, verschiedener sozialer Herkunft, verbindet die Geschichte der Düsseldorfer Allgemeinen Krankenanstalten, Radiologie und die deutsche Geschichte. Das bearbeitete Projekt bietet uns eine ganz besondere Perspektive, denn gerade aus dem Vergleich von „damals und heute“ gewinnen wir gemeinsam neue Erkenntnisse und verstehen die Bedeutung unserer Handlungen im Berufsalltag.

Hierzu zählten damals die Gefahren und das Leid für die Fachkräfte, Radiologen und Patienten, die kurz nach der Entdeckung der Röntgenstrahlung häufig aufgetreten sind. Heute, 100 Jahre später, da der aktuelle Strahlenschutz in der Radiologie diese Probleme wirksam bekämpft, sind es eher die Gefahren wie das Internet, digitale Angriffe aus dem Datennetz, der fehlende Datenschutz.

Innovative Ingenieurlösungen entstanden in der alten Zeit bereits durch das Wirken und die besonderen Leistungen deutscher Ingenieure, zum Beispiel den Röntgenpionieren Friedrich Dessauer, Emil Gundelach, Josef Rosenthal, Gustav Peter Bucky, Julius Edgar Lilienfeld und andere.

Damalige Innovationen haben schnell in der Radiologie Verwendung gefunden. Entstandene Firmen mit Millionenumsätzen, die immer bessere, stabil arbeitende Geräte für Diagnostik und Therapie in der Medizin produziert haben. Der Strahlenschutz hat sich ebenfalls verbessert. Auch heute haben die Ingenieurleistungen und die Beteiligten der Forschungsinstitute in Deutschland für die technischen Entwicklungen wie der Robotertechnik, der Nanotechnologien, der Mikroelektronik einen bedeutsamen Einfluss auf die Fortschritte in der Medizin.

Die Medizin am Anfang des 20. Jahrhunderts war gekennzeichnet vom Kampf gegen Tuberkulose, durch häufige Hautkrankheiten, hohe Kindersterblichkeit und nicht zuletzt durch Krebserkrankungen, die es damals auch schon gegeben hat. Die Radiologische Diagnostik begann mit technisch primitiven Röntgenröhren und den ersten Versuchen einer Bilddarstellung, die eine Diagnose zur Unterscheidung zwischen „normalem und pathologischem“ Gewebe und Strukturen erlaubten.

Die bildgebenden, optimierten Verfahren mit 3-D-Darstellungsmöglichkeiten und mit einer ungeahnten bildlichen Auflösungsqualität für eine spezifische Analyse bieten heute unerreichte Diagnosesicherheit in der Radiologie.

Wir verfügen heutzutage über eine moderne Chirurgie mit mikroinvasiver und robotischer Technik, den Einsatz hochspezifisch wirksamer Pharmazeutika und ganz aktuell die revolutionäre Tumortherapie mit den Immuntherapeutika als personalisierte Krebstherapie. Gravierende Fortschritte gibt es ebenfalls in der Therapie mit ionisierender Strahlung: der Strahlentherapie. Damals ohne jegliche wissenschaftliche Basis über die Wirkmechanismen und fehlende Erkenntnisse über die biologische Wirkung, erzielte man trotzdem schon gute, kurative Ergebnisse (zumindest bei Hauttumoren).

Heute verfügt die Strahlentherapieabteilung am Uniklinikum Düsseldorf dagegen über vier modernste Linearbeschleuniger, mit denen hochpräzise Ziele im gesamten Körper erreicht werden können, ohne die umliegenden Organe zu schädigen. Grundlage für die modernen Techniken und Anwendungen sind die medizinischen Therapieerfahrungen, basierend auf langjährigen Studienergebnissen und den Erkenntnissen aus der strahlenbiologischen Forschung.

Die damaligen Zeiten waren von Schrecken geplagt. Der Erste Weltkrieg, die schwere Nachkriegszeit und mehrere Umbaumaßnahmen in den Städtischen Krankenanstalten Düsseldorf haben auch das dort arbeitende medizinische Personal betroffen. Röntgenschwes- ternalltag: Arbeit von morgens bis spätabends (die Röntgenplatten sollten über Nacht trocknen), Wohnungen im oberen Stock der medizinischen Klinik, kaum Freizeit und selten Urlaub . . . Hier handelte es sich um Assistenzpersonal, welches von den Ärzten der Krankenanstalten an den Röntgengeräten ausgebildet wurde oder aber um ausgebildete Fachkräfte beispielsweise aus einer der wenigen Berufsfachschulen in Deutschland (wie dem Lette-Verein Berlin).

Heute haben wir dagegen eine detailreiche, professionelle Ausbildung an modernster digitaler Technik, einen hoch motivierenden Zugang zu der neuesten Medizintechnik mit faszinierenden Möglichkeiten in den Einrichtungen. Ein hochprofessioneller Qualifikationserwerb wird nach dreijähriger Ausbildung allen Schülern in der Uniklinik am UKD geboten. Trotz unseres heutigen friedlichen Lebens und dem Leben im Wohlstand sind das gesellschaftliche Leben und das Dasein neben der Berufsausübung im medizinischen Sektor, zum Beispiel als Röntgenassistent (MTA) anspruchsvoll. Neue Therapieformen, klinische Studien, neue technische Ausstattung, fehlendes Personal . . . beeinflussen den Klinikalltag.

Jedoch haben wir die gleichen Anforderungen an die Durchführung und den Anspruch auf eine qualitativ hochwertige Arbeit. Das Wirken nach bestem Wissen und Gewissen für die Gesundheit des Patienten ist damals wie heute stets im Fokus geblieben. Der Anspruch, seinen Job gut zu machen, gilt damals wie heute. Diesen Anspruch und die Qualität konnten wir in unserem Projekt bei den erforschten Dokumenten aus der historischen Zeit nachweisen, die alten Röntgenplatten haben uns dies überzeugend gezeigt.

Entnommen aus MTA Dialog 10/2020

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