Botox nach Schlaganfall viel zu selten

Empfehlungen der Leitlinie mangelhaft umgesetzt
ab
Mängel in der Schlaganfallnachsorge, speziell bei Botox-Injektionen zur Linderung von Spastiken
Gegen spastische Lähmungen nach einem Schlaganfall helfen Injektionen mit Botox (hier mit Ultraschallkontrolle zielgenau in den spastischen Muskel), werden jedoch zu selten durchgeführt. © Michael Szabó/Universitätsklinikum Jena
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Qualitätsmängel in der Schlaganfallnachsorge, speziell bei spastischen Lähmungen, haben Forschende aus Jena anhand von Krankenkassendaten nachgewiesen.

Etwa ein Drittel der Patientinnen und Patienten, die einen Schlaganfall erlitten haben, leiden anschließend unter spastischen Bewegungsstörungen. Vom Schlaganfall verursachte Hirnschädigungen führen dabei zu schweren Bewegungsstörungen und Verkrampfungen der Muskulatur, die je nach Ausprägung und den betroffenen Bereichen mit Schmerzen und Funktionseinschränkungen verbunden sind. Die Lebensqualität der Betroffenen ist meist erheblich reduziert. Die deutsche Behandlungsleitlinie sieht zur Therapie der Spastik regelmäßige Physio- und Ergotherapie sowie, falls notwendig, eine ergänzende medikamentöse Behandlung vor. Für diese werden in erster Linie regelmäßige Injektionen mit Botulinumtoxin (‚Botox‘) in die spastischen Muskeln empfohlen. Das führt zu einer raschen Muskelentspannung und kann die Lebensqualität der Schlaganfallpatienten deutlich verbessern. Wegen erheblicher Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Schwindel sollte die Einnahme weiterer antispastischer Medikamente nur nach strenger Abwägung verordnet werden.

Nur jeder vierte Patient erhält spezifische Physiotherapie

Anhand einer repräsentativen Stichprobe aus Krankenkassendaten untersuchte ein Forschungsteam, wie diese Behandlungsempfehlungen in Deutschland umgesetzt werden. Dafür betrachteten Neurologen des Universitätsklinikums Jena zusammen mit Epidemiologen des Instituts InGef in Berlin die anonymisierten Versicherungsdaten von knapp 8000 Patientinnen und Patienten, die in den Jahren 2015 bis 2019 wegen einer Spastik nach einem Schlaganfall behandelt wurden. Fast die Hälfte dieser Diagnosen wurde in der Hausarztpraxis gestellt. Zwar wurden drei Viertel der Patienten nach der Diagnose mindestens einmal physiotherapeutisch behandelt, jedoch erhielt nur knapp die Hälfte regelmäßige Verordnungen und nur ein Viertel spezifisch zur Therapie einer schlaganfallbedingten Spastik. „Bemerkenswert ist, dass nur ein Prozent der Patienten Botulinumtoxin-Injektionen erhielten, aber zehn Prozent mit Tabletten gegen Spastik behandelt wurden“, sagt Erstautor PD Dr. Florian Rakers. „Damit werden die Empfehlungen der deutschen Spastikleitlinie nicht konsequent umgesetzt“, führt Rakers weiter aus.

Regelmäßige Botulinumtoxinbehandlung empfohlen

Für eine bessere Umsetzung der Leitlinien und zur Erhöhung der Qualität in der Schlaganfallnachsorge empfehlen die Autoren eine Ausweitung der regelmäßigen spezifischen Physiotherapie und die regelmäßige Botulinumtoxinbehandlung. Diese sollte vor allem bei den Patienten erwogen werden, die bislang ausschließlich antispastische Medikamente einnehmen und noch keine Injektionen erhielten. „Bei diesen Patientinnen und Patienten ist häufig von schmerzhaften und behindernden Spastiken auszugehen, die durch Botulinumtoxin sehr nebenwirkungsarm gemildert werden könnten“, so Dr. Albrecht Günther, Letztautor der Studie. Er hebt dabei die besondere Bedeutung von Allgemeinmedizinern in der Schlaganfallnachsorge hervor, weil eine Spastik nach einem Schlaganfall sehr oft in der Hausarztpraxis diagnostiziert wird. „Patientinnen und Patienten mit einer schlaganfallbedingten Spastik sollten möglichst an erfahrene Spastiktherapeuten überwiesen werden, um so die Qualität der Schlaganfallnachsorge zu verbessern“ empfehlen die Forscher abschließend.

Originalpublikation:
Rakers F; Weise D, Hamzei F et al. Inzidenz und ambulante medizinische Versorgung von Patienten mit schlaganfallassoziierter spastischer Bewegungsstörung. Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 284-5;
DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0004

Quelle: idw/Universitätsklinikum Jena

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